6906806-1980_46_16.jpg
Digital In Arbeit

Leichenfledderei

Werbung
Werbung
Werbung

Um wieder einmal Karl Kraus zu zitieren: „Was ist denn los? Was ist denn los? - Der längst erwartete Gegenstoß!”

Die unglaubliche Popularität, die neuerdings Maria Theresia, Joseph und Franz Joseph genießen (und bald steht uns auch der Erzherzog Johann ins Haus!) muß die Schicht raffgieriger Spießbürger, die uns beherrscht (vor wirklichen „Proletariern” hätte ich nämlich Respekt), in Panik versetzt haben, und es war demnach an der Zeit, die wahrhaft abscheuliche Inszenierung der „Letzten Tage der Menschheit”, die man aus der Schweiz in die Wiener Festwochen transportiert hatte, nun auch über die Bildschirm-Runden zu bringen.

Dem österreichischen Publikum wurde zu dessen Beruhigung mitgeteilt, es handle sich um den Totentanz einer „untergehenden Schicht”. In Wirklichkeit sind wir Österreicher insgesamt gemeint. So wollen sie uns haben. So nur vermögen die Mörder Österreich-Ungarns sich einzureden, der Ermordete habe Selbstmord begangen.

Zeitbedingt verschwiegen wird hiebei, daß die „Letzten Tage” ein zutiefst antisemitisches Stück sind. Karl Kraus wollte viel weniger den Kaiser Franz Joseph und dessen „Hofrat Schwarz-Gelber”, als Moritz Benedikt und die Leser der „Neuen Freien Presse” hinrichten.

(NB: Um der üblichen Pun-zierung vorzubeugen - ich war stets das Gegenteil eines Antisemiten. Karl Kraus hingegen und viele der heute Mächtigen waren es.)

Und während, wie Ernst Trost unlängst in einer seiner hervorragenden Reportagen dartat, die Ungarn umgestürzte Denkmäler der Kaiserin Elisabeth wieder aufrichten und dem nun einmal populären Kult der Erzsebeth kirälyne Vorschub leisten, indem sie die romantische Herrscherin zur geistigen Vorläuferin des Kommunismus erklären (was ja stimmt), schickt man hierzulande den Claus Gatterer zu den „Zeugen des Untergangs”. Alles klar?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung