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Digital In Arbeit

Mit mehr als Bein im nur einem „Kriminal“

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Der zunehmende „investi-gative“ Journalismus, der sich mit viel Phantasie neuer technischer Hilfsmittel bedient, erfordert auch von Kriminologie und Strafrecht eine gewisse Phantasie.

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Der zunehmende „investi-gative“ Journalismus, der sich mit viel Phantasie neuer technischer Hilfsmittel bedient, erfordert auch von Kriminologie und Strafrecht eine gewisse Phantasie.

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Der Jurist, also gerade auch der Richter, scheint sich leicht zu tun. Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetze“ gilt auch für den Journalisten. Wesentlich ist also das Bestehen von Strafnormen wie auch von Sanktionen zivilrechtlicher Art.

Das Wort „Enthüllungsjournalismus“ zeichnet das Bild einer heute vor allem in bestimmten Print-Medien ' angewendeten Vorgangsweise, Situationen und persönliches Verhalten interessanter Personen scheinbar oder wirklich aufgedeckt den Medienkonsumenten mit dem Hinweis zu präsentieren, dies sei bisher unbekannt, ja geheim gewesen, nunmehr habe es der Journalist ans Tageslicht gebracht, also enthüllt. Zur Enthüllung gehört damit nicht nur die Präsentation einer Meldung als solche, sondern ganz wesentlich auch die Art der Recherche. Je .mehr ein Sachverhalt verborgen ist, umso schwieriger die Enthüllung, umso diffiziler, also auch gefährlich, ja oft kriminell das Mittel der Enthüllung.

Die Frage nach den in erster Linie strafrechtlichen Sanktionen journalistischen Handelns in diesem Bereich stellt sich also in zweifacher Hinsicht:

Sowohl zur Präsentation und dem Inhalt einer Meldung als auch für die Recherche danach.

Zum ersten ist der Begriff des Medieninhaltsdelikts wesentlich.! 1 Absatz 1 Ziffer 12 MedienG(esetz) definiert ein solches Delikt als eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht.

Die Gerichte befassen sich in der Praxis ganz überwiegend mit dem Tatbestand der üblen Nachrede nach dem § 111 Absatz 1 und 2 StGB (Strafgesetzbuch) als Medieninhaltsdelikt, dies wird auch für die Fälle des „Enthüllungsjournalismus“ nicht anders sein. Zur medienrechtlichen Verantwortlichkeit verweist nämlich zu-mindestens im Bereich straf rechtlicher Verantwortlichkeit für Medieninhaltsdelikte der § 28 Me-dienG ausdrücklich auf die allgemeinen Strafgesetze.

Sicher können neben dem schon erwähnten Tatbestand des § 111 StGB im Falle des Enthüllungsjournalismus auch andere Tatbe-ständexles StGB oder von Nebengesetzen zum Tragen kommen, insbesondere im Bereich politischer Enthüllungen mit einer bestimmten politischen Zielrichtung, wo etwa auch der Tatbestand nach dem § 188 StGB (Herabwürdigung religiöser Lehren) oder jener der Verhetzung nach dem § 283 StGB zur Anwendung kommen kann, ebenso etwa die Herabwürdigung des Staates oder seiner Symbole nach dem § 248 StGB oder die Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl oder Volksabstimmung nach dem § 264 StGB. Dies als beispielsweise

Darstellung von Möglichkeiten.

Dies alles ist nichts Neues, weder juristisch noch publizistisch. Mit Medieninhaltsdelikten als dem Ergebnis von sogenannten „Enthüllungen“ befassen sich die Gerichte nicht erst seit einem Jahrzehnt. Man erinnere sich an die Enthüllungen über den seinerzeitigen Bundesminister für Inneres, Franz Olah, in einigen Ausgaben der „Wochenpresse“ im Jahre 1963 oder an die „Express-Serie“ von Hans Zerbs (auch Autor der „Olah-Enthüllungen“) im November 1967 über die angeblichen Grundstücksgeschäfte des damaligen Bundeskanzlers Josef Klaus.

Neu sind allerdings bestimmte Methoden der Recherche, die zu den Enthüllungen führen: versteckte Kameras, heimlich mitgeführte Tonbänder und dergleichen mehr. Der technischen Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt, daher bedarf es auch kriminologisch und strafrechtlich einer gewissen Phantasie, um Möglichkeiten einer mit Strafe bedrohten'Methode der Recherche zu erfassen.

Dies alles ist aber kein Problem des Medienrechts im engeren Sinne, sondern wieder und zunächst eine Frage der allgemeinen Strafgesetze. In diesem Aufsatz können klarerweise Tatbestände nicht eingehend behandelt werden, sie können nur demonstrativ berührt werden, um anschaulich zu machen, daß der Täter eines „investigativen Journalismus“, wie sich der EnthüllungsJournalismus auch gerne nennt, nicht nur bereits mit einem Bein „im Kriminal“ steht, um ein Wiener Sprichwort zu bemühen, sonderrt oft schon mit beiden drinnen ist.

Es wird zwar auch im Rahmen des Enthüllungsjournalismus der Journalist kaum einen Mord begehen (§75 StGB) oder sich einer der vielen im Strafgesetzbuch vorgesehenen Formen der Körperverletzung (§ 83ff StGB) bedienen, um zu Informationen zu kommen. Wohl aber könnte ihm das Mittel der Nötigung nach dem § 105 StGB zustatten kommen, wenn er jemanden durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, etwa zur Ausfolgung von Material oder zur Erteilung von Auskünften, zwingt.

Auch das Mittel der Täuschung nach dem § 108 StGB scheint kein ferne liegendes, wenn nämlich jemand durch Täuschung über Tatsachen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet wird. Eine besondere Rolle spielt aber durchaus die Verletzung des Briefgeheimnisses nach dem § 118 StGB oder die Verletzung des ' Fernmeldegeheimnisses nach dem § 119 StGB, wenn nämlich der Täter in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten von einer durch eine Fernmeldeanlage übermittelten und nicht für ihn bestimmten Mitteilung Kenntnis zu verschaffen, eine Vorrichtung an einer Fernmeldeanlage anbringt oder sonst empfangsbereit • macht, oder eine derartige bestehende Vorrichtung benützt.

Durch die Medien ging die Meldung, daß im „Sexskandal“ um den stellvertretenden Parteichef der Konservativen Partei in Großbritannien, Jeffrey Archer, Journalisten des Massenblattes „News of the World“ das Telefon des Politikers „angezapft“ haben sollen („Die Presse“ vom 27. 10.1986).

Juristen diskutierten die Frage, ob im Fall der „Basta-Enthül-lung“ betreffend Hans Hermann Groer in jüngster Zeit der Tatbestand des § 120 StGB, also des Vergehens des Mißbrauches von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten, erfüllt sei. Auch die Vergehen nach den §§ 121 und 122 StGB (Verletzung des Berufsgeheimnisses oder von Betriebsgeheimnissen) können in Frage kommen, § 123 StGB stellt die Person unter Strafdrohung, die ein Geschäftsoder Betriebsgeheimnis mit dem Vorsatz auskundschaftet, es zu verwerten, einem anderen zur Verwertung zu überlassen oder der Öffentlichkeit preiszugeben.

Auch durch das Mittel der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB könnte der Journalist zu Informationen, nämlich zu Materialien kommen, auch Unterschlagung (§ 134 StGB) und dauernde Sachentziehung (§ 135 StGB) scheinen im konkreten Bereich der Möglichkeit. Auch die Verleitung von Beamten oder leitenden Angestellten von Unternehmen zu Pflichtwidrigkeiten (§ 307 StGB) erscheinen geradezu naheliegend. Die Bestimmung zum

Amtsmißbrauch nach den §§ 12,30 (2) StGB gehört ebenso hierher.

Dies alles ist nur ein Auszug aus Möglichkeiten strafrechtlicher Art. Daneben gibt es die zivilrechtliche Haftung für Medieninhaltsdelikte nach den §§ 66,7 Me-dienG oder etwa nach den §§ 13,30 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), ganz abgesehen von Schadenersatzforderungen aus den oben beispielsweise angeführten Delikten.

Und dennoch laufen die Journalisten frei herum! Gott sei Dank ist es so. Nicht weil ihnen auch noch so emsige Staatsanwälte nicht auf ihre Schliche gekommen sind oder persönlich getroffene Privatankläger zuwenig Beweismöglichkeiten haben, was die Kriminalität der Recherche betrifft, sondern weil diese in Österreich doch die seltene Ausnahme darstellen dürfte. Der Inhalt journalistischer Produkte selbst gibt den Gerichten ohnedies genug

Arbeit, hier sind Verurteilungen von Journalisten geradezu an der Tagesordnung. Aber meist nicht deshalb, weil die Meldung kriminell, sondern weil sie zuwenig oder gar nicht recherchiert wurde. 1 Ein Ergebnis? Jedenfalls die Hoffnung, daß journalistische Methoden der Recherche sich in Hinkunft nicht so gestalten, daß ein Richter nicht nur theoretische Möglichkeiten von Gesetzesverstößen aufzählen kann, sondern aus einer reichen Fülle von Urteilen zitiert.

Der Autor ist Presserichter in Wien.

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