7047934-1990_41_13.jpg
Digital In Arbeit

oder mehr Staat

Werbung
Werbung
Werbung

Handelskammerorganisation gibt, frage ich mich schon seit lan- gem.

Diskutiert wird an strukturellen Verbesserungen insbesondere auch die Frage, ob man nicht die Gestion der Selbstverwaltung der Rech- nungshofkontrolle unterstellen sollte. Diesbezüglichen Wünschen wurde mitunter entgegengehalten, daß damit die Selbstverwaltung un- ter die Kuratel des Staates gestellt würde.

Der Rechnungshof ist ein Hilfs- organ des Parlaments; er ist sehr bewußt so konstruiert, daß er selbst nur Fehler aufzeigt, es aber dem Parlament überlassen ist, Konse- quenzen zu ziehen. Rechnungshof- kontrolle hat daher letztlich nur dort einen Sinn, wo das Parlament in der Lage ist, die Verantwortli- chen zur Verantwortung zu ziehen. Das ist nun im Bereich der Selbst- verwaltung tatsächlich nur sehr mittelbar der Fall: sieht man die Rechnungshofkontrolle im Zu- sammenhäng mit der Verant- wortlichkeit der obersten Organe gegenüber dem Parlament, so läßt sie sich lediglich im Hinblick auf die Aufsichtsbehörde realisieren.

Andererseits ist zu betonen, daß sowohl die Gemeinden als auch die Sozialversicherungsträger der Rechnungshofkontrolle unterlie- gen; dennoch hat noch niemand die Auffassung vertreten, damit sei die Selbstverwaltungseigenschaft die- ser Einrichtungen im Kern getrof- fen. Es würde daher keineswegs ein Strukturprinzip verletzen, würde man auch die berufliche Selbstver- waltung zur Gänze der Rechnungs- hofkontrolle unterwerfen.

Auch die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung stellt sich heu- te als eine verfassungspolitische Herausforderung dar.

Hans Kelsen hat schon 1925 dar- auf hingewiesen, daß im Begriff der Selbstverwaltung zwei Gedanken zum Ausdruck kommen, der Ge- danke der Demokratie und der Ge- danke der Dezentralisation.

Die Selbstverwaltungsorganisa- tion in der Sozialversicherung soll also - idealtypisch gesehen - ge- währleisten, daß die Verwaltung in einer möglichst großen Entfernung vom unpersönlichen Staat und in einer möglichst großen Nähe zum Menschen geführt wird.

Es ist evident, daß kleinere Or- ganisationen die Ziele einer pro- blemnahen und menschlichen Ver- waltung leichter zu erreichen in der Lage sind als große Institutionen. Die Idee der Zusammenlegung von Selbstverwaltungskörpern zu um- fassenden großen Einrichtungen ist daher nicht nur betriebswirtschaft- lich-verwaltungswissenschaftlich ein Nonsens, sondern läuft auch dem Selbstverwaltungsgedanken diametral entgegen.

Das Modell der Selbstverwaltung gibt also auch in der Sozial- versicherung gute Chancen. Frei- lich: Zusammenlegung zu Monster- instituten und totale Leistungsver- einheitlichung sind Wege in die andere Richtung - in eine Richtung, die weg von der Selbstverwaltung und hin zu größerer Aufgabenkon- zentration beim Staat führen.

Das Resümee für die soziale Selbstverwaltung fällt ähnlich aus wie für die wirtschaftliche und berufliche Selbstverwaltung: auch dort haben wir gesehen, daß es die Alternative gibt, diese Form der Selbstverwaltung in ihrer struktu- rellen Eigenart zu belassen und die Ausgestaltung zu verbessern, oder den Schritt zur Auflösung der Selbstverwaltung und Einführung eines Systems privater In- teressenvertretungen und damit letztlich den Schritt einer Abkehr von den Gedanken der Subsidiari- tät und der Gewaltentrennung zu gehen.

Will man eine evolutionäre Ent- wicklung, die dem Prinzip, der Struktur und der Stellung der Selbstverwaltung im Rahmen un- serer Verfassung entspricht, oder will man den Schritt zur Auflösung derartiger Selbstverwaltungsein- richtungen, den Schritt zum star- ken Staat? Das ist die Grundfrage, die man beantworten muß will man sich im Bereich der wirtschaftli- chen, beruflichen und sozialen Selbstverwaltung der verfassungs- politischen Gestaltungsaufgabe im siebzigsten Jahr unserer Verfassung stellen.

Universitätsprofessor Dr. Karl Korinek ist Mit- glied des Verfassungsgerichtshofes. Der Beitrag ist ein gekürzter Auszug eines kürzlich in Wien gehaltenen Vortrages.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung