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Platitüden, die zu Tränen rühren

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Bescheidenheit ist zwar eine Zier. Aber so bescheiden, ja anspruchslos, hätte sich Helmut Käutner mit seinem neuen Musical „Das Glas Wasser oder Barock und Roll” wirklich nicht geben müssen. Aber wie man sieht, selbst diese arme Klamotte reichte, um im Theater an der Wien auf die Bühne gehievt zu werden und vom Publikum sogar Applaus und Bravogeschrei zu ernten. Wofür allerdings Helmut Käutner nichts konnte. Denn daß das Musical-Machwerk nicht durchfiel, war vor allem drei Schauspielersängern zu danken: Ivan Rebroff, Susanne Almässy und Heidelinde Weis.

Wer Käutners berühmten gleichnamigen Film (mit Gustav Gründgens) kennt, wird hier entsetzt sein: Wo dort- wie auch in Eugene Scribes beliebter Erfolgskomödie - Witz, Ironie und pralle Komödiantik voll ausgespieltwerden, ist hier nur noch Klamauk. Billige Witzmacherei. Mit Texten und Textehen, die zu Tränen rühren könnten. „Schöne Queen, arme Queen, alles hat sie, nur nicht ihn”, flötet da Englands Frau Königin, Heidelinde Weis, und beklagt ihre parlamentarisch ver- ordnete erotische Abstinenz. Und auch die übrigen Songs - darunter auch auf Melodien von Handels „Largo”, Lehärs „Zarewitsch” usw. - stehen dieser Platitüde kaum nach. Ja, sie geben den (schlechten) Ton an, der in Käutners Text- und Regieversion herrscht.

Bernhard Eichhorns und Roland Sonder-Mahnkens Musik berieselt unverbindlich. Angestaubter Stü der fünfziger Jahre. Noch dazu weit und breit keine Zugnummer, die ins Ohr ginge. Aber ich begreife auch nicht, warum man diese Komödie in soviel Show-Gschnas verpacken mußte, unter dem Vorwand, sie zu popularisieren. Denn darüber, daß diese Balletteinlagen (Choreographie: William Mi- liė) mitunter recht hübsch, aber ein bißchen überflüssig und ein Protestschnulzensänger (der auf Dutzendpopbarde agierende, farblose Peter Cornelius) nur überflüssig sind, besteht gar kein Zweifel. Bleiben eigentlich nur die aparten, sparsamen Bühnenbilder Rolf Langenfassbarocke Versatzstücke, Spiegelsäulen. Johannes Fehring setzte sich mit viel Drive dafür ein, eine musikalische Pleite wenigstens elegant zu kaschieren.

Daß es dennoch immer wieder kni sternde Momente gibt, in denen Scribes’ komische Intrigen funkeln, ist den beiden Gegenspielern Ivan Rebroff und Susanne Almässy zu danken. Wie Nattern zischeln sie aufeinander los, daß man herzlich lachen kann. Und da prasselt der Applaus, weil die beiden halt wissen, wie man das Publikum im Sturm nimmt, sogar barock überrollt. Und einem swingenden Theaterungeheuer Rebroff in schottisch-karierten Unterhosen und Strümpfen verzeiht das Publikum offenbar auch, wenn er sich selbst parodieren will und dabei in billigem Klamauk steckenbleibt.

Sonst - schade, daß Heidelinde Weis bloß ein Dummerl spielen soll; daß Wolfgang Mäscher als Schönling Mas ham keinen Regisseur hat, der ihm beibringt, wie man ein bißchen Farbe in diese Rolle bringen kann; daß Aniko Benkö die pfiffige kleine Abigail nicht übers Klischee eines kleinen Provinzgänschens hinausbringt. Schade.

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