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Prozeß gegen den Dichter Breytenbach

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Im Justizpalast von Pretoria drängen sich Neugierige, um dem Prozeß gegen den südafrikanischen Dichter Breyten Breytenbach beizuvx>hnen, der gegen eine Reihe von Sicherheitsgesetzen des Landes verstoßen haben soll. Mehr als 35 ausländiche und einheimische Journalisten, Juristen, darunter für „Amnesty International” der Amsterdamer Rechtsanwalt Lou Velle- man, Diplomaten, Studenten und der Bruder des Dichters, der Bildjournalist Cloete Breytenbach, erleben hier eine Tragikomödie.

Bisher wurde nur ein Zeuge gehört. Fünfzehn sind vorgesehen und der Prozeß soll zwei bis drei Wochen dauern. Neben einem enormen Stoß von Briefen, die der Dichter in seiner Zelle schreiben konnte und die alle zum blutigen Umsturz der bestehenden Regierung im Lande aufforderten, ist der Gefangenenwärter Gerhardus Groe- newald bisher das einzige „Beweismittel” gegen den Angeklagten. Aus Sympathie und Mitleid kümmerte der zwanzigjährige Staatsdiener sich mehr als normal um den Dichter, ging auf dessen Versprechungen ein und hielt sich schließlich für einen Revolutionär. Immer tiefer wurde er in die Traumwelt des Dichters hineingezogen, der wegen früherer Vergehen gegen die Terrorismusgesetze Südafrikas eine neunjährige Gefängnisstrafe absitzt. Breytenbach nahm Groenewald für die Geheimorganisation „Okhela” den Treueid ab, ließ ihn die Faust zum „Black-Power”-Gruß erheben und „Amandla” (Macht) rufen. Mit einer Naivität, die unfaßbar ist, schickte Breytenbach den neuen Revolutionär als Kurier in die Welt. Er versandte Briefe an die Exilrevolutionäre in Pakris, Amsterdam und London und an die Verschwörer in Durban, Grähamstown und Kapstadt. Bereits nach wenigen Tagen warnte einer der Empfänger, der damals ebenfalls im Gefängnis sitzende Schriftsteller Marius Schoon, der inzwischen nach Botswana flüchtete: „Ich mache mir Kummer über die Waghalsigkeit des Kuriers. Du mußt ihm Zügel anlegen.” Aber Breytenbach ist kein Mitglied der Baader- Meinhof-Bande, eiskalt und berechnend, sondern ein Träumer, der den Professor Andre Brink um 900 Deutschmark (300 Rand) bittet, um eine Gaspistole kaufen zu können. Groenewald nimmt das Geld in Empfang. Breytenbach schreibt nahezu an jeden Menschen in Südafrika, der auf irgendeine Art mit dem Widerstand gegen die Regierung Vorster zu tun hat. Er nennt alle N amen, A dressen und Pläne. Und Groenewald bekommt plötzlich Angst, er erzählt seinen Vorgesetzten von den Plänen des Revolutionärs in der Zelle von Pretoria und führt nun das Spiel mit Wissen des südafrikanischen Sicherheitsdienstes weiter. Der Staatsdiener befördert weiter die revolutionäre Post, aber ein Sicherheitsbeamter begleitet ihn, notiert die Adressen und die Gespräche. Das Spiel wird jetzt geradezu lächerlich und er innert an Kriminalromane der billigsten Sorte. Breytenbach bittet um einen Paß mit der Berufsangabe „Geschäftsmann”, schickt Briefe mit Fluchtplänen an den Methodistenpfarrer James Polley in Kapstadt, an Schriftsteller und andere Persönlichkeiten. Er nennt die deutsche Familie Kleinschmidt als Kontaktadresse (Kleinschmidt war im Christlichen Institut tätig und wurde im vorigen Jahr ausgewiesen) und sagt von der südafrikanischen kommunistischen Partei, daß sie nicht revolutionär gėnug sei. Dem naiven Kurz-Revolutionär und jetzigem Spitzel der Polizei verspricht er eine Ausbildung als Terrorist in der Sowjetunion und die Rückkehr in einem russischen U-Boot. Dann werde man unter Leitung Groenewalds die Robben-Insel bei Kapstadt besetzen und alle politischen Gefangenen befreien. Dann will Breytenbach mit Groenewald in den Bergen der Du- toit-Schlucht untertauchen, Straßen sprengen und Politiker entführen. Mit zunehmender Begeisterung erzählt er seinem Wärter von der kommenden Befreiung, dem „Roten Tag”, an dem mit den Weißen abgerechnet werden soll.

Nach den ersten Tagen des Prozesses stellt man sich nun die Frage, ob dieser Dichter, dessen Werke vor allem in Holland, aber auch nach wie vor in Südafrika erscheinen, nach einem Jahr Gefängnis den Sinn für die Wirklichkeit verloren hat: Linke Kreise in Europa wollen diesen Mann zu einem Freiheitshelden und Opfer des „südafrikanischen Faschismus” hochstilisieren. Man könnte auch mutmaßen, daß Südafrika hier einen Schauprozeß arrangiert habe, der Kommunistenfurcht und Kriegshysterie fördern soll. Aber bei aller Kritik darf man wohl sagen, daß in einem solchen Fall die Justiz des Landes nicht mitmachen würde. Auch ist die Presse frei und kritisch genug, um einen solchen Trick sofort zu durchschauen. Außerdem hätte man den falschen Mann gewählt. Breytenbach mag ein großer Dichter sein- Politiker ist er nicht. Breytenbach ist Bure, Sohn einer angesehenen afrikanischen Familie, verheiratet mit einer vietnamesischen Frau, und damit das Symbol der komplexen Probleme eines Landes, über das heute die ganze Welt urteilt, ohne es zu kennen.

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