Breyten Breytenbach bleibt unbequem für alle

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Der einst eingekerkerte Apartheid-Gegner läßt auch an Südafrikas neuen Herren kein gutes Haar.

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Der einst eingekerkerte Apartheid-Gegner läßt auch an Südafrikas neuen Herren kein gutes Haar.

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Man kann vom Titel ausgehen: "Mischlingsherz". Der renommierte südafrikanische Autor Breyten Breytenbach reist aus dem Exil nach der Wende zurück in sein Land, mit gemischten Gedanken und Gefühlen. Er öffnet dieses sein Herz dem Leser, weil seine Mischlingsprägung auch typisch für die Prägung seines Landes ist. Damit erfüllt er persönlich wie politisch einen Schreibauftrag, den wir hier, die wir von Südafrika meist recht wenig wissen, am besten als Leseauftrag verstehen.

Mischung, Überlagerung, Wechsel ist das Lebensmotiv Breytenbachs. Verschiedne Rassen, Kulturen, Sprachen kreuzen sich in ihm. Er ist 1939 im Kapland geboren als Sohn einer Familie deutsch-holländischer Herkunft, erlebt als Kind die Vor-Apartheidzeit, wo "Braun und Weiß noch zusammenlebten, ohne Reibungen und Unterschiede", sieht seit 1948 "die verdrießlichen Clowns rassischer Überlegenheit an die Macht kommen", studiert Literatur und Kunst in Kapstadt, geht 1961 (nach dem Massaker von Sharpeville) als Maler und Schriftsteller nach Paris, heiratet eine Asiatin, leistet Widerstandsarbeit im Sinn des Afrikanischen Nationalkongresses ANC, und ist während der schlimmsten Apartheidszeit (Soweto 1976) im südafrikanischen Gefängnis. Nach sieben Jahren Haft reist er wieder gelegentlich unter den Augen der Zensur, arbeitet mit an der Vorbereitung der ersten gemeinsamen Wahlen 1994, schreibt mehrere Bücher über diese Zeit.

Mischung, Überlagerung ist auch das Motiv dieses Buchs. Die Reise führt den 60jährigen auch zeitlich zurück. Er stöbert in Museen und Archiven seinen Vorfahren nach, findet seine "roots" in Europa. "Am Faden der Erinnerung" will er in seine Kindheit absteigen, doch das Erinnern spaltet auf: Zuweilen erkennt er sich wieder, sogar schärfer als je zuvor: "Wenn ich einen Grashalm in den Mund nehme, um ihn zu kauen, schmecke ich den Speichel meines Vaters." Auf dem Klassenfoto aber sieht er nur "das tote Kind" und kann sich nicht in den Kopf des Jungen hineinversetzen. Ein Schulkamerad tritt als Busenfreund auf, ist aber in der Erinnerung des Autors "der durchtriebenste Kamerad, den ich je hatte... wir erinnern uns aneinander vorbei". Er nennt das Phänomen "Bastardisierung von Erfahrungszonen".

Die eigne Vielfachnatur läßt ihm die Welt als Kippfigur erscheinen, als Muster, das je nach der Sicht des Betrachters sein Relief entweder vertieft oder erhaben zeigt, immer gekippt ins eine oder andere. So ist er zwar wieder zuhaus, kauft sich ein Grundstück und nennt es "Paradys", konstatiert aber: "Überall ist Exil... ich kenne dieses Land, und doch bin ich hier ein Fremder. Ich war zu lange fort." Ein Teil seines Herzens schlägt für die Leistungen der Kolonisatoren, ein andrer für die dabei Versklavten. Über Südafrikas Charakter urteilt er: "Ich habe dieses Land oft als Paradies beschrieben", aber auch: "Dies war immer schon ein gewalttätiges Land."

Vor Schülern hält er einen Vortrag über "Vertrauen in die Zukunft", aber für die "Wahrheits- und Versöhnungskommision" des Bischofs Tutu findet er nur Spott, zur neuen Verfassung des Landes nur Skepsis. Mandela trifft er bei einem Dorffest: "Der Schokoladenprinz... wird hereineskortiert, schwerhörig und steifbeinig, als wäre er ein exotisches Tier an der Leine". Mandela umarmt seinen alten Kampfgefährten Breytenbach, der aber murmelt in sich hinein: "Könnte es wahr sein, wie jemand behauptet, daß dies gar nicht der wirkliche Mandela ist, daß er im Gefängnis durch Gehirnwäsche umgedreht wurde... ein Doppelgänger?" Das Kippfigurenmuster tritt in vielen Nebengeschichten auf: Tote als Wiedergänger, ein Mann, der eine Frau ist, die weiße alte Dame, unter deren Haube man nach dem Tod das Kräuselhaar entdeckt. Auch Breytenbachs poetische Passagen haben dieses Verblüffende, Vexierbildhafte, mit wiederkehrenden Symbolen der Unberechenbarkeit: Der Hund für Treue, die jederzeit in Aggression umschlagen kann; die Schlange zwischen Phlegma und Blitzschnelligkeit; der ständige Wind im Land, der Kühlung bringt und Staub zugleich. Gelegentlich kippt der Blick ins Bissige. Nicht nur, wenn er die politisch ewig Uneinsichtigen sieht, sondern auch bei den Altersfalten einer gutmütigen Gastgeberin. Als Leser erlebe ich einen großen alten Herrn, recht sperrig, nicht festzulegen, unbequem für alle. Keinem Urteil über ihn wird er zustimmen, er hat die Unfaßbarkeit des Regenbogens, des Symbols seiner Nation. Ein Mischlingsherz mit schwieriger Identität, ein guter Botschafter seines Landes.

Mischlingsherz. Eine Rückkehr nach Afrika. Von Breyten Breytenbach. Übersetzung: Matthias Müller. Hanser Verlag, München 1999. 238 Seiten, geb., öS 248.- / E 18,02

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