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Prüfstein unserer Toleran

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Das Burgtheater läßt den 100. „Geburtstag“ des Hauses am Ring vorbeigehen wie ein Ehepaar, dessen Silberne Hochzeit mit dem Scheidungstermin zusammenfällt. Weder Claus Peymann noch der gegen ihn stehende Großteil des Ensembles wirkten rundum glaubwürdig. Aber während die Ensemblevertretung den Eindruck eines jeden Fehler des Gegners souverän nutzenden Spielers macht, ist's Peymann, der angeschlagen wirkt.

Er hat bei seinem Fettnäpfchen-Slalom keins ausgelassen. Seine treuesten Freunde vom deutschen Feuilleton können ihm die Version, die Uberfüllung seiner Häuser, habe ihn zur Reduktion der Premierenzahl gezwungen, nicht mehr abnehmen. Auch deutsche Kulturpolitiker werden sich mittlerweile fragen, ob er fähig ist, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ihn nicht seit vielen Jahren begleiten oder wenigstens mit

Sehnsucht seines Kommens geharrt haben.

Für ihn steht viel auf dem Spiel. Nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit als Mann, dessen organisatorische Fähigkeiten für die Leitung eines so großen Hauses ausreichen. Für das Ensemble geht es darum, endlich wieder im eigenen Haus genügend Beschäftigung zu finden, statt vom Direktor immer wieder zu hören, es seien ihrer ohnehin zu viele. Diese Ensemblevertretung mag meinen, nur ihr Prestige stehe auf dem Spiel. Gelingt es ihr aber, Peymann zu vertreiben, wird hinterher kein gleichwertiger Theatermann gefunden, und es kommt zu einer jahrelangen Orgie der Mittelmäßigkeit, werden ihr die Öffentlichkeit und drum auch die Kollegen wenig Dank wissen.

Rundherum wärmen Interessenten aller Art ihre Suppe an der Hitze des Konfliktes. Und Thomas Bernhard wird wieder einmal zum allzu harten Prüfstein österreichischer, also unser aller, Toleranz. Beides erschwert die Lösung des Problems ungemein.

Ob Peymann seine Krise anders durchstehen kann als wenigstens zeitweise mit einem kompetenten Organisator an seiner Seite, dem er einen Teil seiner Befugnisse delegiert, ist fraglich geworden. Einer Ministerin, der an ihm gelegen ist, sollte es möglich sein, ihn und das Ensemble für einen solchen Versuch zu gewinnen.

Wird dieser Konflikt nämlich bis zum bitteren Ende weitergeführt, wird es zuletzt vielleicht Triumphierende geben, aber keine Gewinner.

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