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Publicity-Hatz

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ICH gehöre zu jenen Fernsehzuschauern, die die Qualität einer TV-Sendung nicht nach ihrer Popularität beurteilen; eher im Gegenteil: je mehr Zuseher eine Sendung hat und je mehr Reklame rundherum gemacht wird, desto eher muß man sich immer sorgen, daß sie mies ist.

Darum ist auch das Argument schief, daß eine Sendung schon deshalb gut sein müsse, weil es

sie seit Jahren gibt. Und genau das trifft auf Herrn Zimmermanns gutgemeinte XY-Gang-sterjagd zu.

Daß freilich ausgerechnet heute, nach Jahren, der Herr Pressereferent Keller des Justizministeriums gegen Zimmermanns Sendung zu Felde zieht, ist eine andere Sache. Keller ist nämlich jener Doppelstratege, der (wie kein anderer) seine Funktion als

gesellschaftspolitisch empfindet, was ihm durch das absolute Vertrauen eines Bundesministers ermöglicht wird. Einmal als Privatmann, einmal als Pressereferent, einmal /als Staatsanwalt, einmal als politischer Funktionär der SPÖ, spielt Keller auf dem Klavier der Öffentlichkeit wie ein Papageno, der seine Federn ständig wechselt. Und er kann das tun, weil ihn sein Minister läßt.

Nun, Staatsanwalt Keller war der wortgewandte Hauptanwalt für die Einführung dessen, was das wienerische Idiom zum „Häfenurlaub“ erklärte; und er ist der Befürworter einer generellen Liberalisierung im Strafvollzug — und manchmal auch noch von mehr. Nun ist Kellers Hauptargument gegen Zimmermanns Sendung, daß die Öffentlichkeit durch die audiovisuelle Gangstersuche in Angst und Schrecken versetzt wird, weil die armen alten Leute

fürchten, daß so viele Verbrecher herumlaufen...

Nun, Verurteilte auf Heimaturlaub, auf Sex-Urlaub — die setzen die Bevölkerung nicht in Schrecken, Herr Staatsanwalt?

Aber dennoch bin ich doch eher Ihrer Meinung, daß „Aktenzeichen XY“ langsam, aber sicher zu einer ekligen Zumutung wird. Weil — entgegen den Anfängen der Sendung — Verbrechen und Aufklärung nämlich zu einem Gesellschaftsspiel, zu einem echten Fernsehspiet, geworden sind.

Verbrechensbekämpfung muß sein, soll sein. Und warum soll sich die Polizei — durch die modernen Verkehrsmittel und die offenen Grenzen gegen organisiertes Verbrechertum sowieso im Hintertreffen — nicht des Fernsehens bedienen dürfen?

Nein, dagegen ist nichts zu sagen. Aber vieles gegen Herrn Zimmermanns Art und Weise, aus sachlichen Angaben über Tat, Verdächtige und Opfer eine grenz-

überschreitende Show zu machen. Das Business eines cleveren Geschäftsmannes hat aus einer guten Grundidee mittlerweile ein publicityträchtiges Management werden lassen.

Es ist ein Trugschluß und eine Geringschätzung der Seher, wenn die Macher der Sendung den Fernsehanstalten einreden wollen, nur durch gestellte Action-Sze-nen und Live-Hatz würde die Aufmerksamkeit des Publikums erzeugt werden. Gerade eine so delikate Sendung sollte dezent, seriös und ohne Mätzchen sein. Wenn das Herr Zimmermann nicht zusammenbringt, sollte man andere und neue Möglichkeiten suchen, der Polizei bei der Verbrechensaufklärung via TV zu helfen.

Und sollte man dazu in Deutschland nicht bereit sein, könnte sich der ORF allein eine selbständige Form — Reform — einfallen lassen.

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