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Qualitätszeitung

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Am Telefon war die Putzfrau — pardon: unsere Raumpflegerin. Ihrer Pflege sind auch die Begrenzungsflächen unserer privaten Räume anvertraut, die Fenster, einschließlich der Außenseite. Für einen Teil der Werkzeuge habe ich aufzukommen, und das war der Grund ihres Anrufes.

„Bringen Sie heute oder morgen Zeitungen mit, damit ich die Fenster putzen kann. Aber nicht wieder so harte wie das letzte Mal.“

Ich konnte mich nicht erinnern, „harte“ Zeitungen zur Verfügung gestellt zu haben. Einschlägige Abonnements gibt's in unserem Büro gar nicht. „Frau Novak, ich hab' Ihnen, wenn ich mich recht erinnere, das letzte Mal DIE PRESSE gebracht...“

Frau Novak schnitt mir mit der Schärfe eines zeitgenössischen Putzmittels das Wort ab: „Sag' ich ja! DIE PRESSE ist viel zu hart. Unbrauchbares Papier. Saugt nicht.“

„Aber ich dachte“, wagte ich einen schüchternen Einwand, „das große Format wäre Ihren Zwek-ken dienlich.“

„Nix da!“ Frau Novakannte keine Gnade. „Die großen Fetzen nützen mir gar nichts, die sind ja viel zu groß. Auch die anderen, die Sie einmal mitgebracht haben, die FRANKFURTER ALLGEMEINE, die SUDDEUTSCHE ZEITUNG und DIE ZEIT. Für Schnittbogenmuster ganz wunderbar, aber völlig ungeeignet zum Fensterputzen. Bringen Sie was Kleineres, Saugfähiges!“

Bei Zeitungen kennt sie sich aus, unsere Frau Novak. Aber offenbar traute sie auch mir ein Mindestmaß an Urteil zu, sonst hätte sie sich wohl die Anlieferung von SPIEGEL, PROFIL, WOCHENPRESSE, BASTA und anderen Magazinen ausdrücklich verbeten.

Wenn die Großen verworfen werden, schaffen es vielleicht die Kleinen: „Wie wär's mit der KRONENZEITUNG oder mit der AZ?“ Die beiden sind sonst kaum zu vergleichen, aber vielleicht hinsichtlich ihrer Qualität als Putzmittel — und wenn Frau Novak bei diesem Angebot anbeißen sollte, könnten auch noch die NEUE ZEIT, die KLEINE ZEITUNG und alle übrigen Kleinformate reüssieren, einschließlich der KIRCHENZEITUNG.

Ich hätte wohl nicht stufenlos von den ganz Großen zu den ganz Kleinen wechseln dürfen. „Die sind bei Ihren großen Fenstern gar zu klein. Die KRONE schmiert außerdem, die ist zu fett

- außer ältere Jahrgänge. Sie wissen: die Druckerschwärze. Das gilt auch für den KURIER, der immerhin die richtige Größe hat und auch nicht schlecht saugt.“

Beim Format waren wir der Qualitätszeitung immerhin einen Schritt nähergekommen. WIENER ZEITUNG, SALZBURGER NACHRICHTEN, VOLKSBLATT, OBERÖSTERREICHISCHE NACHRICHTEN, TIROLER TAGESZEITUNG, VORARLBERGER NACHRICHTEN, VOLKSSTIMME - sollte Frau Novak doch selbst das ihr geeignet erscheinende Blatt wählen! Dann hätte wenigstens ich beim nächsten Mal keinen Vorwurf zu gewärtigen.

„Frau Novak, sagen Sie mir doch, welche Zeitung Ihnen am liebsten wäre!“

„Ehrlich gesagt: DIE FURCHE

— auch wenn sie noch besser sein könnte. Aber im ganzen Angebot ist sie noch am brauchbarsten. Sie hat das richtige Format, saugt ganz gut und schmiert nicht. Aber, wie gesagt, sie könnte auch noch besser sein.“

Frau Novak ist nicht leicht zufriedenzustellen. Meine ganze Hoffnung für die nächste Putzaktion gilt jetzt Oscar Bronner und seinem STANDARD - vielleicht ist Frau Novak damit endlich zufrieden ...

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