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Schweizer Wahl-Bombe

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Das für seine politische Stabilität so bekannte Schweizerland hat seine politische Sensation: Der Präsident des Ständerates, der Vertretung der Kantone im eidgenössischen Parlament zu Bern, wurde in seinem Heimatkanton schmählich abgewählt und kann damit sein Amt als zweithöchster Schweizer nicht mehr ausüben.

Jost Dilliers Heimat, der Kanton Obwalden, kennt als einer der letzten Stände der Schweiz noch die Landsgemeinde, an der das Stimmvolk wie zu Urzeiten helvetischer Demokratie im Ring mit offenem Handmehr wichtige Wahl- und Sachgeschäfte entscheidet.

Dillier war im kleinen Kanton mit bloß 26.000 Einwohnern ein starker Mann mit großer politischer Hausmacht und einem Familienclan, der wichtige Schalthebel der Politik und Wirtschaft, in den Händen hielt. Als Staatsanwalt wirkte er auch als oberster Richter seines Kantons und während Jahren als Präsident der dominierenden Christdemokraten.

Kritik an seiner Stellung und seiner Person wußte der clevere Jurist gar nicht zu schätzen. Wer es dennoch wagte, mußte auf dem politischen Parkett mit bitterer Rache rechnen oder geriet in die

Mühlen der Justiz. Das erfuhr zum Beispiel jüngst eine biedere Hausfrau, die aufgrund eines kritischen Leserbriefs wegen Ehrverletzung vor den Kadi gezerrt wurde und verlor.

Dieses Urteil erregte einiges Aufsehen, und auch durch andere Vorkommnisse schaffte sich der mächtige Ständeherr nicht nur Freunde. Auffallend kühl war denn auch der Empfang, den ihm seine Landsleute im Dezember des vergangenen Jahres bereiteten, als er in der Bundeshauptstadt zum Präsidenten des Ständerates gewählt wurde, obwohl sich der kleine und arme Kanton dadurch sehr geehrt vorkommen mußte.

Auch einige andere Warnschüsse bereiteten das Terrain für die Schlappe vor, die Dillier unlängst hinnehmen mußte. So wählte ihn das Kantonsparlament überraschend nicht zum Präsidenten des Bankrates des kantonalen Finanzinstituts.

Dennoch erwartete man im Ring bei der Bestätigungswahl für das Ständeratsamt höchstens ein Donnergrollen. Doch das Landvolk war sehr ungnädig gestimmt. Ohne daß es überhaupt zu einer Diskussion oder der Portierung eines Gegenkandidaten gekommen wäre, verweigerte das Volk Dillier das Vertrauen.

Seit Menschengedenken erstmals muß nun der Ständerat einen neuen Präsidenten mitten in der Amtszeit wählen. Kein Wunder, daß man in der Schweizer Po-lit-Szene derzeit Gesprächsstoff hat.

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