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Standort klargestellt

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Als in der Früh des 1. Mai der ORF die Nachricht von der Ermordung des sozialistischen Stadtrates Nittel ausstrahlte, begann in Feldkirch die diesjährige Cartellversammlung (CVV) des österreichischen Carteilverbandes (ÖCV). Ohne Wissen über das Mordmotiv, denn Mord bleibt Mord und wird auch nicht entschuldbar, wenn er einen politischen Hintergrund hat, gedachte die CVV des Menschen, an dem sich ein anderer unter Mißachtung der göttlichen Ordnung vergangen hatte.

Durch dieses tragische Ereignis nahm die gesamtösterreichische Öffentlichkeit auch nicht jene Notiz von der heurigen Jahrestagung, die übrigens erstmals im westlichsten Bundesland abgehalten wurde, mit der sie sonst hätte rechnen können: Der Präsident der Katholischen Aktion Österreichs, Eduard Ploier, und der Wiener Vizebürgermeister Erhard Busek referierten an diesem I. Mai am Podium und diskutierten dann sehr engagiert mit einem großen Auditorium, das den Saal bis auf den letzten Platz füllte.

Es dürfte nicht abwegig sein, diese, zwischen den Beratungsabschnitten angesiedelte Diskussionsveranstaltung, als das Hauptereignis der diesjährigen CVV zu betrachten. Die klare Situierung des ÖCV, heuer 125 Jahre alt, im katholischen Lager wurde für Blinde sichtbar. Die 1978 erfolgte Absage an alle öffnungsversuche nach links, trägt ihre Früchte. Sie ist auch ins Bewußtsein der Verbindungen und der Mitglieder dieser Verbindungen gedrungen. Einzelne Ausnahmen bestätigen nur die allgemeingültige Regel.

Die schädliche Polarisierung zwischen Katholischer Aktion und katholischen Verbänden (ÖCV, MKV usw.) gehört, zumindest was die Haltung der Spitzenfunktionäre anlangt, der Vergangenheit an.

Buseks wortgewaltige Absage an die „Fernstenliebe“, die häufig nur Alibifunktion besitze, besonders dann, wenn sie nicht mit einer praktizierten Nächstenliebe einhergehe, machte die Gefahr der Doppelbödigkeit solcher Aktionen für oder gegen etwas irgendwo in der Welt, worüber man, wenn überhaupt, nur sehr einseitig informiert ist, deutlich.

Busek, der die Offenheit besaß, auf das ihm nachgesagte „nicht friktionsfreie Verhältnis“ zum ÖCV anzuspielen, was aus Gründen der Klarstellung dankbar vermerkt wurde, legte ein eindeutiges Bekenntnis zum Werkkonservatismus ab, womit die Zielkongruenz zwischen dem ÖCV und diesem Politiker erkennbar wurde.

Ploiers Aussagen sind ein fester Boden für ein Miteinander der wichtigen katholischen Organisationen. Dies könnte sehr bald praktische Bedeutung erlangen, wenn es um die Fixierung der gesellschaftspolitischen Position der Kirche in Österreich anläßlich des für 1983 geplanten Katholikentages geht, der, bedingt durch die geographische Lage unseres Landes und den historischen Bezug des Veranstaltungsjahre^ zwangsläufig eine europäische Dimension haben wird.

In den Beratungen der CVV wurde eine Unzahl von Beschlüssen gefaßt, die für die innere Verbandsordnung von Bedeutung sind. Die für die verbandsexterne Öffentlichkeit interessante Studentinnenfrage wurde dahingehend beantwortet, daß auch in Zukunft eine Aufnahme von Studentinnen in die Verbindungen des ÖCV ausgeschlossen bleibt.

Die Cartellversammlung in Feldkirch, umrahmt von den gesellschaftlichen Couleurveranstaltungen, war ganz eigenartig: sie hat, ohne es darauf anzulegen, den Standort des ÖCV klargestellt. Es wurde deutlich, welches Erbe ein junger Mensch antritt, der in eine Verbindung des ÖCV eintritt.

Der Autor ist Vorsitzender de* Altherrenver- bandė* de* ÖCV.

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