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ÖCV-Start in Linz

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Anläßlich der letzten Jahresversammlung des Österreichischen Car-tellverbandes (ÖCV), 1974 in Innsbruck, erklärte der frischgewählte Verbandspräsident, Mag. Helmut Kukacka, daß einer der Schwerpunkte der Verbandsarbeit die „Repolitisierung“ des Verbandes darstellen werde. Eine Repolitisierung jedoch nicht in Richtung auf ein parteipolitisches Engagement, sondern verstanden als ein „an den Prinzipien und am Wertsystem des Verbandes orientiertes Engagement in unserer Gesellschaft“.

Das Arbeitsjahr wurde unter das Motto „Christlich-demokratisches Engagement als gesellschaftlicher Auftrag des CV“ gestellt und dazu erklärt, daß der CV in zunehmendem Maße gesellschaftspolitische Öffentlichkeitsarbeit zu leisten habe.

Folgerichtig wurde auch die heuer stattfindende Cartellversammlung, die vom 28. Mai bis zum 1. Juni in Linz stattfindet, unter das Leitthema „Die Zukunft christlichdemokratischer Politik“ gestellt, wobei zu diesem . Thema von der ÖCV-Bildungsakademie ein aufwendiges Symposion veranstaltet wird, für das eine Reihe namhafter Referenten (Hermann Wallraff, Heinrich 'Geissler, 'Hahs-Pe^er 'Fagahmi,'Werner Kaltefleiter) vorgesehen sind. Am Ende dieses Symposions wird eine Podiumsdiskussion stattfinden, an der auch „Praktiker“, wie Karl Blecha, Erhard Busek und Alois Mock teilnehmen werden.

Auf diesem Symposion sollen die Alternativen, die Chancen tmd die Zukunftsaussichten christlich-demokratischer Politik „angesichts der weiter fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft“ analysiert werden. „Damit soll jenes Politikverständnis, das dem CV am nächsten steht, auf seine Wirkungschancen in der Zukunft geprüft werden.“

Diesem Symposion ist vor einigen Wochen ein Spezialseminar der Bildungsakademie des ÖCV vorausgegangen, bei dem, unter der wissenschaftlichen Leitung von Universitätsdozent Dr. Mantl, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Norbert Leser und Hans Buchheim über den „Neokon-servatismus“ diskutierten.

Veranstaltungen wie diese zeigen, daß der CV offensichtlich wieder Tritt gefaßt hat; daß die teilweise Verwirrung und Könzeptlosigkeit der späten sechziger Jahre einer ehrlichen Bemühung um eine Standortbestimmung gewichen ist. Der CV, der sich parteipolitischen Bestrebungen fernhält, ist darangegangen, seine Ideologie zu formulieren.

Eine Folge dieser Bemühungen ist auch die Tatsache, daß der CV in zunehmendem Maße zu gesellschaftlich relevanten Themen Stellung bezieht, wobei der Bogen bewußt weit gespannt wurde: von der UOG-Reform über die hochschulpolitische Situation, die Fristenlösung, die Medienpolitik in Österreich bis zu einer eindeutigen Stellungnahme zur „Aktion kritischer Wähler“.

Den optischen Höhepunkt wird zweifellos die Multi-Media-Show „30 Jahre Cartellverband in der Zweiten Republik“ in der Linzer Bruckner-Halle bilden, die neben einer Würdigung verdienter Mitglieder des CV (wie Hurdes, Figl, Raab) insbesondere die Leistungen des Verbandes für die Zweite Republik unterstreichen soll.

Neben diesen öffentlichen Veranstaltungen im Rahmen der Car-

tellversammlung findet selbstverständlich parallel auch wieder die traditionelle CW (das höchste beschlußfassende Gremium des CV) statt, wobei neben den üblichen geschäftsordnungsmäßigen Routineangelegenheiten auch einige Anträge vorliegen, deren Inhalt und Tragweite über den normalen CVV-Betrieb hinausgehen.

So beantragt der Referent für Auslandsfragen, daß der ÖCV „bei der Gründung des Europäischen Kartellverbandes diesem beitreten soll“. Die Vorbesprechungen zur Gründung eines solchen Verbandes, dem vor allem Verbände aus Österreich, der BRD, der Schweiz und Italien angehören, sind nahezu abgeschlossen, und es ist in der nächsten Zeit mit der offiziellen Gründung zu rechnen.

Als hauptsächliche Zielsetzungen des künftigen „EKV“ werden insbesondere genannt:

• Die Vertretung in und gegenüber den europäischen Einrichtungen und Gemeinschaften, insbesondere dem Europarat;

• die Setzung und Koordination von Initiativen, insbesondere auf dem Sektor der EÜdungs- und., Gesell--schaftspolitik sowie

• die Beobachtung geistiger und gesellschaftspolitischer Entwicklungen in Europa. Weiter heißt es: „Dem ,EKV liegen das seinen Mitgliedsorganisationen gemeinsame Bekenntnis zum Leben aus dem Christentum, die gleichartige Zielsetzung und die Einheit der Formen der Freundschaft zugrunde.“

Ein anderer Antrag sieht die Herausgabe einer Publikationsreihe sowie die Einbeziehung einer größeren Anzahl von Experten in die ÖCV-Bildungsakademie vor, die sich infolge der ständig wachsenden Anforderungen an dieses bildungspolitische Instrument des CV notwendig erwiesen hat. Eine Bildungsakademiediskussion wird es auf dieser CW sicherlich nicht geben, denn die „Akademie“ ist in den Jahren ihres Bestehens zu einem allgemein anerkannten Integrationspunkt des Cartellverbandes geworden.

Dies gilt auch für die Verbandszeitschrift „Academia“, die nunmehr zwei Jahre lang von dem Gespann E. W. Marboe—Peter Hofbauer herausgegeben wird und die sich auch außerhalb des ÖCV profilieren konnte. Es hat sich gezeigt, daß die Entscheidung der Umwandlung der „Academia“ aus einer reinen Verbandszeitschrift zu einem Organ, das auch öffentlich verkauft wird, rieh-, tig war.

Der wohl umfangreichste und bereits jetzt am meisten diskutierte Antrag geht vom Präsidium des ÖCV-Studentenverbandes aus, und beschäftigt sich mit einer Strukturreform des ÖCV. Im Anschluß an die intellektuelle Konsolidierung des Verbandes sowie unter Berücksichtigung der gestiegenen Anforderungen an die Organe des Verbandes soll die Organisation des ÖCV schlagkräftiger gestaltet werden. ÖCV-Insider sind überzeugt, daß gerade dieses Konvolut auf der CW ausgiebig diskutiert werden wird, da dadurch langfristige organisatorische Entscheidungen getroffen werden sollen.

Der Österreichische Cartellverband hat sich für Linz viel vorgenommen; auf das Ergebnis der Beratungen darf man gespannt sein.

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