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Quo vadis, Cartellverband?

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Vom 30. Mai bis 2. Juni 1991 findet die jährliche Vollversammlung des österreichischen Cartell-verbandes (CV) in Innsbruck statt. Im Mittelpunkt steht ein Antrag, der seit Wochen die Wellen im CV hochgehen läßt.

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Vom 30. Mai bis 2. Juni 1991 findet die jährliche Vollversammlung des österreichischen Cartell-verbandes (CV) in Innsbruck statt. Im Mittelpunkt steht ein Antrag, der seit Wochen die Wellen im CV hochgehen läßt.

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„Können Frauen unter denselben Bedingungen wie Männer Mitglieder von Verbindungen des ÖCV werden?” - Ja oder nein? Unter denselben Bedingungen versteht derCV die Praxis der vier Prinzipien Religio (Römisch-katholisches Bekenntnis), Patria (Vaterlandsliebe), Scientia (Studium und Fortbildung) sowie Amicitia (Lebensfreundschaft).

Diese sogenannte Frauen-Frage entzweit die rund 13.000 Mitglieder des größten katholischen Akademikerverbandes. Nach Meinung des Vorortspräsidenten, Jacob Wolf, geht es um „eine saubere Lösung” dieser seit 20 Jahren virulenten Problematik.

So versuchten einzelne Verbindungen, die Integration von katholischen Studentinnen in verschiedenen Varianten herbeizuführen. Mit mehr oder weniger Erfolg, da diese Modelle nie über das Stadium des Experiments hinauskamen.

Die Entscheidung, ob nun Frauen aufgenommen werden können, soll den einzelnen Verbindungen überlassen werden, argumentieren Wolf und sein Team von der Austria Innsbruck. Der ÖCV möge aber generell dazu seine Zustimmung geben. Auch der Vorsitzende der Verbandsführung, Herbert Mang, betont die Notwendigkeit einer gesicherten Rechtslage und fordert in dieser Frage mehr Toleranz und Offenheit von seinen Car-tellbrüdern.

Die Stimmung vor der „Abstimmungs-Schlacht” zu Füßen des Berg Isel ist schwer abzuschätzen. Während die jungen CV-Studenten der Frauen-Integration eher ablehnend gegenüberstehen, plädieren viele „Alte Herren” für die Öffnung des Verbandes und damit auch für die Aufnahme von Studentinnen.

Entscheidendes Gewicht wird den 20 Wiener CV-Verbindungen zukommen, da gerade die in Wien ansässige Verbindung Norica mit dem „Experiment” Studentinnenverbindung Norica Nova für viele zum Stein des Anstoßes geworden ist.

Historisch ein Männerbund

Nur für Insider verständlich sind die Motive der Antragsgegner. Angeführt werden die historische Entwicklung - als Männerbund - und die angebliche Emotionalität dieser Frage. Uberlegt wird auch, ob es damit getan sei, daß äußere Formen (bunte Bänder und „Deckel”), femer überhaupt farbstudentisches Brauchtum eines Männerbundes einfach,.kopiert” werden.

Hier verweisen die Befürworter der Frauen-Integration auf die notwendige Unterscheidung von Strukturen und Inhalten, denn sinnstiftende Traditionen dürfen nicht zu einem Traditionalismus erstarren.

Nicht übersehen werden kann die Tatsache, daß bereits mehr als 50 Prozent der Studierenden Frauen sind, argumentieren die Antragsteller aus Innsbruck.

Doch ist die sogenannte Studentinnen-Frage nur eine der drei Krisen des Cartellverbandes. Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit ist auch die Abwehr beziehungsweise die Auseinandersetzung mit den zwei großen Versuchungen des Bürgertums, der Flucht in die kirchliche Kuschelecke und die gesellschaftspolitische Abstinenz. So zwingt die zunehmende Verdunstung der Kirchlichkeit die CVer, um ihre eigene christliche Identität verstärkt zu ringen.

Verlockend ist die Versuchung, sich hinter dem Schlagwort-Vokabular diverser inoffizieller katholischer Monatsblättchen zu verschanzen.

Andererseits warnte schon vor fünf Jahren dersteirische Diözesanbischof Johann Weber den CV, nicht die „Flucht in die Kuschelecke” anzutreten. In ein behagliches Nest, abseits des gesellschaftlichen Engagements.

Denn verbunden mit dieser Verweigerung ist der drohende Verlust der Wirklichkeitsnähe. Und gerade der Cartellverband, der sich als gesellschaftspolitische Kraft versteht, muß sich diesen drei Herausforderungen stellen. Eine zukunftsfähige Lösung der Studentinnen-Frage könnte der Anfang sein. Denn: „Mander, 's isch Zeit!”

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