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Nationaler Volkswandertag ist dem Cartellverband zu wenig
Seine Kritik an der über weite Strecken völlig inhaltsleeren Gestaltung des Nationalfeiertages wandelte der österreichische Cartellverband (ÖCV) dieses Jahr in eine konkrete Aktion um: ÖCV-Präsident Michael Metzler lud zu einem Symposion „Das christliche Menschenbild — Illusion oder Alternative“ in das Klo-sterneuburger Stift. Ziel der Veranstaltung: Das Geschichtsbewußtsein stärken, den Blick für die Zukunft öffnen, die Bereiche Politik-Religion-Kunst in ein und demselben Veranstaltungsrahmen gleichrangig unterbringen. Sinnerfüllung des Nationalfeiertages also, die Alternative für einen stupiden Volkswandertag.
Das Interesse der Teilnehmer richtete sich insbesondere auf die mit Zentralsekretär Karl Blecha und ÖAAB-Obmann Dr. Alois Mock beschickte Podiumsdiskussion zum Thema „Das Menschenbild der Parteien“. Frappierend die rhetorisch fast deckungsgleichen Bekenntnisse der beiden Referenten sowie der Veranstalter: Subsidiarität im Vordergrund. In einer anläßlich des Symposions aufgelegten Schrift formulierte das ÖCV-Präsidium: „Durch die Eigengesetzlichkeit einer sich ausweitenden Macht von Staat und Wirtschaft ist der Freiheitsraum für die individuelle Lebensgestaltung des Menschen gefährdet... Staat und Wirtschaft sind kein Selbstzweck, sondern Mittel dafür, daß der Mensch seine Lebensbedürfnisse erkennen und sinnvoll befriedigen kann.“
Kaum anders hört sich das bei Karl Blecha an, der mit seinen Kernsätzen offenbar die Richtung der von der SPÖ in Gang gesetzten Programmreform andeutete: „Im Mittelpunkt der sozialistischen Idee steht ein Mensch, der sich selbst in einer Gesellschaft verwirklichen können muß, in der die Selbstbestimmung auf Kosten der Fremdbestimmung immer mehr zunimmt. Daraus leitete sich auch die programmatische Zielsetzung der Sozialisten ab,die bestehende Gesellschaftsordnung so zu ändern, daß die freie Persönlichkeitsentfaltung des Menschen besser als bisher gewährleistet ist.“
Und nun Mock zum gleichen Thema: „Ein Zuwachs an öffentlicher Planung und Fürsorge darf nicht zu einem Verlust der Autonomie in jenen Lebensbereichen führen, wo die Eigenverantwortlichkeit des einzelnen am unmittelbarsten ist, in der Familie, in der Gemeinde, im Betrieb.“
Im Streben nach Konsens und politischer Mitte ließen sich die beiden Politiker kaum aus der Reserve lok-ken. Gleichwohl lag das Unbehagen im Raum, Theorie und Praxis der von Blecha vertretenen sozialistischen Politik seien doch zweierlei. „Man kann alles unterstreichen, was Blecha sagte, aber jeder weiß, daß die Praxis doch anders ausschaut“, meinte ÖCV-Kultursprecher Wolfgang Bandion, der für das Symposion mitverantwortlich zeichnete. Schade, daß kaum einer der profilierteren CV-Repräsentanten am Symposion teilnahm, einer, der rhetorische Wortgebäude ihrer Schönfärberei beraubt und mehr Tiefgang in die Debatte gebracht hätte.
In der Einbeziehung von Kunst und Kultur ging der CV über das übliche Schema hinaus. Mit der Gestaltung einer Ausstellung „österreichische Graphik der Gegenwart“ und durch die mit Barockmusik umrahmte Eröffnung wurde das kulturelle Element demonstrativ in die Nationalfeiertags-Veranstaltung eingebunden. Der Cartellverband möchte damit zeigen, daß für ihn die Kultur nach Politik und Wirtschaft nicht die dritte Bühne darstellt, sondern daß sie als integrierender Bestandteil des Lebens verstanden werden sollte. Trotz mäßigen Interesses seitens des eigenen Verbandes kommt dem ÖCV doch das Verdienst zu, nicht nur vordergründige Aspekte des Nationalfeiertages ausgeleuchtet zu haben.
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