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Die „Academie“, die „Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen österreichischen Studentenverbindungen“, wird 60 Jahre alt. Ein prominenter CVer würdigt „seine“ Zeitschrift – auch mit kritischen Untertönen.

Irgendwie war der Ruf der Academia immer besser als der des CV. Das gilt so ziemlich für alle 60 Jahre ihres Erscheinens, die heuer gefeiert werden. Der Auftrag, den prominente CVer der Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen österreichischen Studentenverbindungen im November 1949 mit auf den Weg gaben, lautete schon in der ersten Nummer, „nicht ein Sprachrohr der offiziellen Instanzen, sondern vielmehr ein Spiegel des Lebens im gesamten Verband“ und ein „den Notwendigkeiten und Verantwortlichkeiten der Zeit gegenüber stets aufgeschlossener Führer und Wegweiser“ zu sein.

Spuren von Denkweisen

Natürlich sucht man in einer solchen Zeitschrift nicht Zeugnisse narzisstischer Selbstdarsteller, sondern wesentliche Spuren von Denkweisen in einem Verband, der noch immer im katholisch geprägten Studenten- und Akademiker-Milieu eine Rolle spielt. Und die waren von Anfang an nicht immer nur identisch mit den Positionen der „offiziellen Instanzen“. Einige feste Pflöcke einer relativ breit gefächerten Academia-Weltanschauung lassen sich freilich einschlagen: Bekenntnis zu einer ökumenisch ausgerichteten katholischen Kirche mit Heils- und Weltauftrag, klare Österreich- und Europa-Orientierung, Ermunterung zu Engagement in Politik und Wissenschaft, Pflege von Lebensfreundschaft, auch in traditionellen Ritualen.

Das ritualisierte Auftreten ist die nach außen hin heute am schwersten vermittelbare Erscheinungsform von CVern (rund 13.000 in Österreich, davon 11.000 „Alte Herren“) und nur mit der Tatsache zu erklären, dass im Behauptungskampf der Gründerjahre in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur Anerkennung fand, wer auf Uni-Boden mit denselben Insignien antreten durfte wie die (deutsch-)nationalen Verbindungen: also mit bunten Bändern und Mützen je nach Verbindung (heute sind es 46 im ÖCV), bei Kommersen von Bier und deutschen Freiheitsliedern angetan, Fahnen und Schläger schwenkend.

Ein mitunter schweres Erbe. Ich erinnere mich noch, als ich 1951/52 als Student der St. Louis University in den USA mit dem dort lehrenden Altbundeskanzler Kurt Schuschnigg, einem Alten Herrn der Austria Innsbruck, eines Sinnes hinsichtlich der Reformbedürftigkeit mancher dieser Rituale war. Wir haben beide deren Unverwüstlichkeit unterschätzt.

Aber gerade deswegen war es gut, dass die Academia von Anfang an versuchte, Friedrich Funders Hoffnung mit Leben zu erfüllen, das neue Blatt möge „ein guter Schritt vorwärts zur gesunden Erneuerung des CV“ sein. Helmut Steinacker, Heribert Steinbauer, Michael Mitterauer, Theodor Tomandl, Werner Perger, Werner Vogt und andere Vorwärtsdränger brachten die Academia beherzt in die Reformdebatten nach 1968 ein, griffen aktuelle gesellschaftspolitische Themen auf und scheuten auch Konflikte nicht. Einmal in den 1970er Jahren gehörte sogar eine Ohrfeige für den damaligen Academia-„Amtsträger“ zum Repertoire der Auseinandersetzungen.

„Eine Claque für eine Clique“

Widerspruch auf hohem Niveau von Heinrich Drimmel, der in der Autorenauswahl zunehmend „eine Claque für eine Clique“ entdecken wollte, und ein Karl-Renner-Preis schufen zusätzliche Aufmerksamkeit. Auch Juden und „Rote“ kamen zu Wort, wobei der ziemlich vulgäre CV-Kannibalismus der Arbeiter-Zeitung in der Zeit vor Kreisky viele CVer Sozifresser werden (und bleiben) ließ.

Natürlich spiegeln die Schwerpunkte der Academia-Themen auch das Auf und Ab in der ideologischen Schwerpunktsetzung beim ÖCV wider. In der Ära von Ernst Wolfram Marboe und Peter Hofbauer (bis 1980) war schon die Orientierungssuche der katholischen Kirche, aber auch „Die jüdische Frage“ ein Anliegen. Gerald Freihofner gebührt das Verdienst, eine Lehrredaktion eingerichtet zu haben. Gerhard Tschugguel, heute erfolgreicher Leiter der Katholischen Medienakademie, proklamierte neuerlich besonderes Bemühen nicht nur um die Verbandsmitglieder, sondern auch um „Studenten, die für die Haltung des CV nicht zu gewinnen sind,“ aber wissen wollen, „wo wir stehen, was wir wollen, wer wir sind“.

Heimelig im konservativen Segment

Seit 2001 steuert der Ex-Banker Herbert Kaspar die Academia erfolgreich und weitgehend konfliktfrei, freilich auch ein bisserl konfliktscheu durch unsere kirchen- und gesellschaftspolitisch brodelnde Übergangszeit.

Der ÖCV hat sich im jüngsten Jahrzehnt im doch eher konservativen Segment der Religions- und Gesellschaftsphilosophie heimelig eingerichtet. Es ist nur konsequent, wenn das Verbandsorgan diese Positionierung erkennbar widerspiegelt. Zwar ist auch heute das Meinungsspektrum unter den Mitgliedern ziemlich breit und teilweise widersprüchlich, aber viele Änderungswillige sind doch ein wenig müde oder auch nur gleichgültig geworden.

Plädoyer für Überparteilichkeit

Brisante Themen und angesehene Autoren, immer wieder auch solche ohne Band und Mütze, sichern der Academia weiterhin Aufmerksamkeit deutlich über CV-Kreise hinaus. Überparteilichkeit und Mut auch zu kontrovers geführten Dialogen wären auch in unserer Zeit ein Rezept, damit Funders Hoffnung auch auf innere Erneuerung des CV nicht sterben muss.

Nicht ein durch die Wirklichkeit längst überholter verbissener Streit um Ehe- und Sexualmoral ist damit gemeint, sondern einfach ein munterer und mutiger Zukunftsdiskurs unter zur Neugier verpflichteten Intellektuellen, die wissen möchten, wohin die Reise nach Kirchen-, Bildungs- und Weltwirtschaftskrise gehen könnte.

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