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Auch Anton Bruckner war dabei...

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Am 4. und 5. Oktober feierte der CV (Cartellverband) Oberöste,rreichs das hundertjährige Bestehen. „100 Jahre CV in Oberösterreich" heißt auch eine Festschrift (gedruckt im Landesverlag Wels, für den Inhalt verantwortlich der Vorsitzende des Landes-CV, Franz Kapsamer), die vor wenigen Tagen erschienen ist.

Drei Autoren (der Landeshistoriker Harry Slapnicka, der Leiter der Linzer Studienbibliothek Franz Wilflingseder und der Journalist Friedrich Engelmann) geben mit ihren Beiträgen auf 146 Textseiten einen Uberblick über die Geschichte des Landes Oberösterreich und des CV in den vergangenen hundert Jahren.

CVer waren es, die die Geschichte des Landes Oberösterreich in diesem Zeitraum wesentlich mitbestimmten: das ist das Ergebnis der Lektüre des Buches, das es nicht im Buchhandel, wohl aber auf Bestellung beim Ober-österreichischen Altherrenlandesbund im ÖCV gibt.

In ganz Österreich gibt es heute etwa 10.000 Mitglieder des ÖCV (österreichischer Cartellverband). Rund tausend in Oberösterreich. In der Öffentlichkeit hat der CV den Beigeschmack eines „Geheimbundes", der er in Wahrheit nie war. Der CV ist ein Verein wie jeder andere. Daß er sein Mitgliederverzeichnis nicht öffentlich zum Verkauf auflegt, findet eine Entsprechung auch bei anderen Organisationen.

Der Cartellverband farbentragender katholischer Studentenverbindungen wurde seinerzeit vor allem als Front ge-,gen den Liberalismus gegründet, Zentralfigur des CV der Gründerjahre war in Oberösterreich Landeshauptmann Alfred Ebenhoch.

Mit Ausnahme der NS-Zeit folgten ihm als Landeshauptleute ausschließlich CVer: Hauser, Schlegel, Gleißner, Wenzl, Ratzenböck. Insgesamt waren neun CVer seit 1945 Mitglied einer Landesregierung. Das Mitgliederverzeichnis des oberösterreichischen CV aus dem Jahre 1977 weist zehn Abgeordnete zum Nationalrat, Bundesrat oder Landtag aus.

Im allgemeinen sieht die Öffentlichkeit die Stärke des CV vor allem im politischen und gesellschaftspolitischen, weniger schon im wirtschaftlichen und in noch vermindertem Umfang im kulturellen Bereich. Auch wenn diese Verallgemeinerung zutreffen sollte, steht doch wenigstens in Oberösterreich fest, daß eine Reihe von CVern sich im Kul-turgefüge des Landes einen guten Namen gemacht haben. An besonderer Stelle ist dabei Anton Bruckner zu erwähnen, der Ehrenmitglied der Verbindung Austria-Wien war.

Der 1947 verstorbene Dichter (und ehemalige Sicherheitsdirektor von Oberösterreich) Hans Baptist Hammerstein-Equord war ebenso CVer wie der 1948 verstorbene Domkapellmeister Franz Xaver Müller. Hans Wo-pelka war Leiter der Kulturabteilung des Landes Oberösterreich, Hofrat Freh Direktor des Landesmuseums. CVer sind der Akademische Maler Fritz Feichtinger und der Schriftsteller Hans Gottschalk. Mitglied des CV war Alois Großschopf (Leiter des Adalbert -Stifter-Instituts und Initiator der umfangreichen kritischen Gesamtausgabe der Werke Stifters).

Mitglied des CV sind Leopold Mayer (Dirigent und Leiter der Abteilung Ernste Musik am ORF-Landesstudio), Aldemar Schiffkorn (Leiter des Instituts für Volksbildung und Heimatpflege), Franz Wilflingseder (Leiter der Studienbibliothek in Linz), Gerhard Winkler (Ubersetzer der Gesamtausgabe der Werke Plinius des Jüngeren) und der Dirigent Roman Zeilinger. CVer war schließlich auch der 1966 verstorbene Landeshistoriker und Archivdifektor Ignaz Zibermayr.

Wenn man zum Bereich der Kultur auch die Journalistik zählt, dürfen Hubert Feichtlbauer (Chefredakteur der „Furche") sowie Peter Klar (Chefredakteur des „Neuen Volksblattes") nicht vergessen werden.

Auch Priester und Bischöfe waren und sind CVer. Die Linzer Bischöfe Rudigier und Doppelbauer trugen ebenso wie der ehemalige Abt von Kremsmünster und spätere Kardinal Joseph Gangibauer Band und Mütze einer farbentragenden katholischen Verbindung. Vergleichsweise war in der Diözese Linz das Verhältnis zwischen CV und kirchlicher Hierarchie immer sehr gut. Derzeit sind vier Äbte in Oberösterreich Mitglied des CV.

Albert Bruckmayr in Kremsmünster, Florian Pröll in Schlägl, Eberhard Vollnhofer (seit 11. Juni 1980, nach dem Tod des CVers Odilo Danecker) in Reichersberg und Albert Siebenhüter in Lambach.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem CV vor hundert Jahren und heute? Nach außen hin auf jeden Fall: In den zwanziger Jahren war etwa in Innsbruck für CV-Studenten das Tragen von Band und Mütze noch „Tag und Nacht Pflicht". Nur in Ausnahmefällen, wie beim Besuch eines Bades, gab es keinen „Couleurzwang". Heute ist das lockerer. Kommerse und Kneipen mit Chargierten in Stiefeln, weißen Hosen und buntem Flaus sind farbloseren wissenschaftlichen Veranstaltungen und Tagungen gewichen: Der CV hat sich einer veränderten Gesellschaft angepaßt.

Die Diskussion um die Aufnahme von Frauen und Evangelischen in den CV, die noch vor geraumer Zeit heftig betrieben wurde, gibt es derzeit nicht mehr. Die vier Grundsätze des CV gelten dagegen heute so wie vor hundert Jahren: Katholizität, Wissenschaft, Freundschaft und Vaterland.

Zur Zeit um die Jahrhundertwende heißt es in der neuen CV-Geschichte Oberösterreichs, beachtenswert sei das-Gemeinschaftsgefühl, das die Cartell-brüder vor 1914 an den Tag legten:„Man kann oft nur staunen, mit welcher Begeisterung man damals bei der Sache war, wie man versuchte, repräsentative Veranstaltungen auf die Beine zu stellen und die Aufrechterhaltung des Brauchtums zur Geltung zu bringen."

Wer den CV von heute genauer kennt, stellt fest, daß das heute nicht viel anders ist: die „Zirkel" (Zusammenkünfte) des CV leben in den Bezirksorten des Landes ebenso wie in Linz. Es gibt gesellige Veranstaltungen vom Seminar bis zur gemeinsamen Reise zu den Festspielen nach Verona. Aber wahrscheinlich müssen wieder hundert Jahre vergehen, damit man auch einmal auf die so schöne Zeit um 1980 zurückblicken kann.

(Der Autor leitet die Zentralredaktion der „Oberösterreichischen Rundschau".)

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