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„Bitter nötig“

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Die Vollversammlung des österreichischen Cartellverbandes, die am letzten Wochenende in Wien zu Ende ging, fand in den österreichischen Zeitungen ein lebhaftes Echo; nicht ganz überraschend, war doch die Jahresversammlung von einigen journalistischen Leckerbissen begleitet. Bedauerlicherweise fand die Personaldiskussion um die Neubesetzung des Leiters und Chefredakteurs der prominenten Verbandszeitschrift „Academla“ mehr Aufmerksamkeit als die zugrundeliegenden Probleme, die recht ausführlich — wenn auch nicht immer emotionsfrei — diskutiert wurden. In dieser Diskussion wurde auch deutlich, wie wichtig dem CV sein Verbandsorgan ist, das ja ein Integrationsmittelpunkt des Verbandes darstellt oder darstellen sollte.

Hatte die „Academia“ sowohl im Stil wie auch inhaltlich ein gewisses Eigenleben entwickelt (FURCHE 20, 1973), so hatte sich im CV eine „schweigende Mehrheit“ gebildet, die heuer zum erstenmal offen ihre Kritik artikulierte, was letztlich auch im personellen Revirement seinen Niederschlag fand. Der neugewählte verantwortliche Beirat für die „Academia“, Ernst-Wolfram Marboe, sowie dessen Chefredakteur Peter Hofbauer gehören zwar der jungen Generation an und sind auch jünger als

die abgetretenen Verantwortlichen, gelten aber als Männer des Ausgleichs und der verbandsinternen Konsolidierung — und gerade das ist es, was der CV bitter nötig haben dürfte. Die Meinung, daß die Betrauung Marboes und Hofbauers einen „Rechtsruck“ bedeute, geht jedenfalls fehl. Marboe hat als kulturpolitisches „Enfant terrible“ und als Organisator der seinerzeitigen Ver-

anstaltungen zum Nationalfeiertag schon in der Regierungszeit der ÖVP viel Unruhe ausgelöst. Hofbauer war Chefredakteur des „ÖSV-Reports“, der sich kein Blatt vor den Mund nahm und seinerzeit ÖVP-Unter-richtsminister Mock ebenso zerzauste wie die Zeitung heute gegen den konservativen Abgeordneten und Universitätsprofessor Ermacora zu Felde zieht.

„Der CV bleibt in der Krise“ betitelt eine Wiener Zeitung ihren Bericht über den „ständigen Streit um die Verbandszeitschrift“; dennoch dürfte dieser Streit für die unmittelbare Zukunft nun beigelegt sein und es ist zu erwarten, daß die Anhänger des zurückgetretenen Wolfgang Aigner der neuen Redaktion gegenüber die Toleranz zubilligen werden, die sie ihrerseits für sich beansprucht haben.

Die diesjährige CVV stand unter dem Motto „40 Jahre österreichischer CV“ und dieser Slogan zog sich wie ein roter — oder besser gesagt: schwarzer — Faden durch die Versammlung. Die Unsicherheit im CV, eiri deutlicher Spiegel der Krise in der Kirche wie auch ein Zeichen des noch unbewältigten innenpolitischen Geschehens der Jahre nach 1970, wurde in manchen Diskussionsbeiträgen offenkundig — obwohl vor allem gegen Ende der CV-Optimis-mus durchzuschimmern schien. Mit großer Eindringlichkeit appellierten mehrere Delegierte an die Vertreter, doch den kleinkarierten Hader, die Personaldiskussionen sowie die Eifersüchteleien einmal beiseite zu

schieben und sich auf die Grundlagen des CV, seine vier Prinzipien zu besinnen, die seit Gründung der ersten Verbindung des ÖCV vor rund 110 Jahren (damals noch im Verein mit den deutschen Korporationen) nichts an ihrer gesellschaftspolitischen Aktualität verloren hätten.

Vielleicht wird es den Besonnenen im Verband gelingen, so manchen Riß zu kitten und bei der Formulierung eines zeitgerechten Selbstverständnisses des Verbandes konstruktive Arbeit zu leisten. Ein Grundstein dafür dürfte in den letzten Tagen gelegt worden sein, die vor einigen Jahren begonnene Öffnung des Verbandes wird nicht rückgängig gemacht werden, sicherlich aber in Hinkunft kritischer und vorurteils-

loser betrieben werden, wobei der damit verbundene emotionelle Spannungsabbau eine bessere Atmosphäre zum gegenseitigen Gespräch mit sich bringen dürfte.

Ein Beispiel für diese Diskussionsbereitschaft ist die einhellig gefaßte Stellungnahme zum Entwurf eines Universitätsorganisationsgesetzes. In einem Verband, der sowohl Studenten wie auch Assistenten und Universitätsprofessoren zu seinen Mitgliedern zählt, mag es sicherlich nicht einfach gewesen sein, eine gemeinsame, fundierte und gründliche Stellungnahme zusammenzubasteln. Daß es dennoch/ gelungen ist, mag ein Zeichen dafür sein, daß mit den CV auch in Hinkunft zu rechnen sein wird.

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