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Steinige Wege zum Ruhm

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Immer wieder blickt der amerikanische Film - nur selten im Zorn, viel häufiger in nostalgischer Ver- sponnenheit - zurück in diè Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Und stets von neuem ist es die Depressionsära nach der Weltwirtschaftskrise von 1929, auf welche die Kamera gerichtet ist. Diese Epoche unerhörter politischer, sozialer und wirtschaftlicher Spannungen erweist sich nach wie vor als ein dankbares Exerzierfeld für Versuche filmischer Dramaturgie und Regieführung.

Zu den besten Beiträgen, die sich in den letzten Jahren ernsthaft mit dieser Zeit beschäftigt haben, gehört zweifellos der amerikanische Streifen „Woody Guthrie - Dieses Land ist mein Land.” Der Titel weist auf den Ahnherrn der amerikanischen Protestsänger hin, der später vor allem die Lieder von Bob Dylan und Joan Baez beeinflußte. Guthrie, der von 1912 bis 1967 lebte, war 1936 aus seiner immer wieder von Sandstürmen heimgesuchten Heimat Texas nach Kalifornien gekommen, fand aber dort gleichfalls Heere von Arbeitslosen, die im besten Falle von Plantagenbesitzern für ein paar schäbige Dollars ausgebeutet wurden.

Guthrie hatte das Glück, durch einen Freund zum Radio zu kommen, wo er zur Gitarre jene Lieder sang, welche die unterdrückten Arbeitermassen aufrichten und zu gewerkschaftlicher Organisierung mobilisieren sollten. Er stand immer wieder in der vordersten Front jener Demonstranten, die nicht selten von Unternehmern mit Polizeiassistenz brutal niedergeprügelt wurden. Als wegen seiner „unbequemen” Liedertexte bei den Radiobossen interveniert wurde, konnte Guthrie sie zwar einige Zeit hinhalten, mußte aber dann die Konsequenzen ziehen, indem er seinen gutbezahlten Job ebenso aufgab wie seine Familie, um sein Schaffen ganz in den Dienst der Arbeiter und Gewerkschaftsbewegung zu stellen. Er führte auch fortan ein Leben getreu seinem Motto „Laß dich durch nichts unterkriegen!”

Ich weiß nicht, wie weit die 1943 erschienene Autobiographie Woody Guthries „Bound for glory” (Zum Ruhm bestimmt), die dem Film zugrundeliegt, ein authentisches Zeitporträt ist. Die Gestalt des „Helden” scheint jedenfalls beträchtlich idealisiert. Dabei ist der Film glücklicherweise frei von Pathos und auch von billiger Demagogie. Er «bezieht seine Kraft aus seinem menschlichen Appell für die sozial Deklassierten, in formaler Hinsicht aber vor allem aus der Kraft seiner Bilder.

Haskell Wexler, für diese Arbeit mit einem „Oskar” ausgezeichnet, hat das Zeitkolorit des Elends in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre ebenso großartig eingefangen wie die Landschaftsstimmungen, gerade weil er dabei auf jegliche optischen Mätzchen und Effekte verzichtet hat. Großartig auch die Schnittechnik des Films, was nicht weiter verwunderlich ist, da ja sein Regisseur Hal Ashby, durch „Harold und Maude” und „Das letzte Kommando” als Regisseur feinen psychologischen Empfindens legitimiert, früher ein hervorragender Cutter war. Szenisch hat der Film trotz seiner Länge von fast zweieinhalb Stunden und der überreich eingestreuten Guthrie-Songs kaum eine schwache Passage.

Die Hauptrolle wird von David Carradine verkörptert, dem Sohn des alten Hollywood-Charakterdarstellers John Carradine. Er zeigt, daß seine Fähigkeiten weit über der Kung-Fu-Serie liegen, und sein erstaunlicher Durchbruch dürfte wohl auch der Anlaß für sein Engagement für Bergmans „Schlangenei” gewesen sein.

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