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Szenischer Historismus?

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Man kann Goldonis überaus beschwingtes Lustspiel „Der Diener zweier Herren“ in sprudelnder Laune komödienhaft spielen. Max Reinhardt war es, der sich in seiner einstigen Aufführung auf die Ausdrucksformen der Commedia deU'arte besann. Giorgio Strehlers berühmte Inszenierung dieses Stücks fußte hierauf, wurde zu einer völligen Erneuerung der alten Spielart. Seine neueste szenische Darbeitung des „Arlecchino servitore di due padrone“ in der Salzburger Felsenreitschule als Gastspiel des Piccolo Teatro di Milano erfolgte berechtigt „in memoriam Max Reinhardt“.

In den drei Geschossen der Felsenarkaden werden zahlreiche drei-armige Leuchter entzündet, und davor nun hat es den Anschein, als würden Wanderschauspieler auf einem italienischen Platz dieses Stück von Goldoni spielen. So gibt es da, von Bühnenbildner Ezio Frigerio erstellt, zwei Piachenwagen, einige Verkaufsstände und das wenige Quadratmeter umfassende Spielpodium einer Pawlatschen, im Hintergrund mit wechselnden bemalten Vorhängen zur Andeutung der Schauplätze. Durch Schlitze des Vorhangs gehen die Darsteller ein und aus.

Die völlige Erneuerung der Commedia dell'arte bei der Wiedergabe dieses Lustspiels ist szenischer Historismus, theatergeschichtliche Präsentation. Sie ließe sich kaum in mehreren Stücken wiederholen. Im Gegensatz aber zum Historismus in der Architektur, den neuestens einige Kunsthistoriker besonders zu schätzen beginnen (wogegen mancherlei einzuwenden ist), bereitet dieser szenische Historismus ungeteilte Freude, und zwar allen Teilen des Publikums.

Die Bezeichnung „deU'arte“ ordnet der Commedia eine kunstvolle Künstlichkeit zu. Und dies erweist sich bei der gebotenen Aufführung in eminentem Maß. Da gibt es nichts Natürliches, und eben darin besteht der besondere Reiz. Alles ist standardisiert, das Künstliche der Körperhaltungen, der Bewegungen, das Getrippel und die übergro-

ßen Schritte, der exzessive Aufwand an weit ausholenden Gesten, übersteigert, meist rasend rasch. Gesprochen wird ständig überlaut, manches Wortgeknatter geht in Wortsalven über. Strehler erreicht mit seinen Darstellern eine lückenlose Perfektion. Die berühmte Szene am Schluß des zweiten Akts, in der Arlecchino zugleich zwei Herren bei Tisch bedienen muß, die noch nicht wissen, daß sie den gleichen Diener haben, war diesmal auf der winzigen Bühne neu zu lösen, es gelang zum Gaudium des Publikums bravourös. Feruccio Soleri, der vor Jahren die Rolle des Arlecchino von Marcello Moretti übernommen hat, erweist eine Springlebendigkeit, eine Durchschlagskraft des Spiels, eine akrobatische Artistik, deren deutschsprachige Schauspieler kaum fähig sind.

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