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Titel machen auch Bücher

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Titel machen Leute. Manche Unternehmer machen damit ein gutes Geschäft. Sie sind jedoch nicht die einzigen: auch Buchhändler handeln mit Titeln. Sie geben freilich dem Kunden zu jedem Titel ein Buch mit, aus Gewissensgründen.

Die Buch-Zugabe ist obligatorisch, was aber verkauft wird, sind die Titel. Wenn ein Buch keinen verkaufsträchtigen Titel hat, wird es eben — meistens — zum nicht gängigen Titel.

Ja, es sind die Titel, die sich den mörderischen Konkurrenzkampf liefern. Bücher konkurrieren nicht miteinander, denn jedes bietet etwas anderes.

So sitzen Autoren und zerbrechen sich die Köpfe — von Verlegern, Lektoren, Vertriebsleitern, Werbechefs und Vertretern unterstützt und verunsichert —, um einen verlockenden Titel zu finden, der das Buch verkaufen wird.

Gibt es bei uns eigentlich keine Titel-Agentur? Es ist doch unvernünftig und un-ökönomisch, die Titel-Erfindung ausgerechnet den Autoren zu überlassen; sie sind dafür am wenigsten geeignet, weil durch die Kenntnis des Textes befangen und belastet.

Natürlich darf ein Buchtitel irgendeine Beziehung zum Inhalt des Buches haben, muß es aber nicht. Jeder

— oder fast jeder — Roman kann zum Beispiel „Schüsse ins Blaue“ oder ,Jm Regen wird jeder naß“ heißen, auch wenn im Text kein Schuß und kein Tropfen Regen fällt.

Das sind natürlich laienhafte Beispiele. Clevere Profis in einer Titel-Agentur könnten sicher unvergleichlich bessere Universaltitel für belletristische Bücher kreieren.

An Verlage, die anspruchsvollere Zielgruppen ansprechen wollen, könnten sie intellektuellere Titel liefern, wie „Quadratur des Punktes“ oder ,£>er krumme Weg des Impulses durch das sogenannte Hirn“.

Es könnten sich spezialisierte Titel-Agenturen für Vater-, Mutter oder Nabelforschungsromane entwik-keln — oder für Weltuntergangslyrik.

So könnte jeder Verlag von der Agentur seiner Wahl eine säuberlich alphabetisch geordnete Titelliste kaufen und dann jedem Titel einen Buchtext zuordnen, meinetwegen in der Reihenfolge, in der die Autoren die Manuskripte abliefern.

Diese Rationalisierung — und zugleich Effektivierung

— der Titelproduktion würde die Arbeit der Verlage erleichtern.

■ Den Autor könnten sie von Kopfschmerzen befreien und auch von Gewissensbissen, wenn sich sein Buch wegen eines nicht zugkräftigen Titels schlecht verkauft; allerdings würde sie ihm auch die Möglichkeit nehmen, den Mißerfolg seines Buches dem Titel zuzuschreiben.

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