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Unnestroyischer Nestroy

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Kaum zu glauben, es gibt ein Stück von Nestroy, das zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt wurde: „Der alte Mann mit der jungen Frau.“ Ursache war, laut Otto Rommel, die „Vorzensur“. Die Meinungen über den Wert dieses Volksstücks gehen diametral auseinander: Der sehr zu schätzende Rommel hielt es für eines der bedeutendsten Werke Nestroys, aber trotz einer Reihe von Vorzügen ist es aber doch wohl eines seiner schwächsten, ein „unnestroyisches“.

Die Grundlage rührt an Tragisches. Daß die Kontroverse zwischen dem sechzig jährigen Grundbesitzer und Unternehmer Kern und dem jungen Baron, der Kerns junger Frau Regine mit einigem Erfolg nachstellt, nicht zu einem Duell führt, wird gerade nur abgebogen. Das wirkt wenig packend, arg konventionell. Dieser Vorwurf wird mit einem völlig andersgearteten legiert, mit Szenen, in denen das Gewittrige des 48er Jahres nachwirkt: Anton, ein Revolutionär von damals, entspringt dem Gefängnis, der seelensgute Kern versteckt ihn auf einer Alm.. Was soll dies? Nestroy will Güte zeigen. Nicht nur. Dann aber wird es läppisch — und über den Schluß sei nachsichtig geschwiegen.

Es geht nicht nur um Güte. In Nestroy gärte der Widerspruch gegen die Zustände des Nachmärz, Scharfgeschliffenes, Bissiges, ganz Ne-stroyisches erstand, wirkt aber der Figur des Kern aufgeklebt, weil jeder Zusammenhang mit dem Hauptthema, den Beziehungen dieses Mannes zu seiner jungen Frau, fehlt. Man fand es für nötig, diese Stel-

len, damit sie gebührend bemerkt werden, im Programmheft seitenlang abzudrucken. Partiell gibt es außerdem noch richtigen Nestroy: Gabriel, der alte Diener Kerns, eine Parallele zu seinem Herrn in witzig gewandelter Situation.

Bei dem Versuch, ein Nestroy-Stück optisch nicht im anheimelnden Biedermeier anzusiedeln, kommt es auf den Einzelfall an. Der Bühnenbildner Hans Hoffer allerdings macht mit zwei Treppenungetümen, einer Plexiglasbrücke als Versatzstücken vor einer Wand mit Rokoko-Wandleuchtern die Aufführung kaputt. Dagegen kommt der Regisseur Hermann Kutscher nicht auf, um so mehr als es mit dem Stück nur Schwierigkeiten gibt. Erik Frey ist ein etwas steif-untadeliger Kern, Christine Böhm bleibt als Regine blaß, Ernst Waldbrunn waldbrunnert behaglich den Gabriel. Unter den zahlreichen Mitwirkenden ansonsten: Rudolf Jusits als Anton, Sussanne Granzer als dessen Frau, Guido Wieland als Amtmann.

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