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„Urbi et Gorhi“

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Jetzt kommt Michail Gorbatschow in die Bundesrepublik, aber leider nicht nach Bayern. Entweder vermutet er in der CSU noch keine ausreichendgroße Zahl von Fans, oder es sind wieder einmal die Österreicher schuld, daß er lieber Baden-Württemberg besucht.

Meines Wissens war dieser Staats- und Parteichef der Sowjetunion noch nicht in Österreich, wogegen der Papst schon zweimal da war.

Der Segen „Urbi et Gorbi“ liegt jedenfalls nicht über Wietu Aber leider auch nicht über München. Wollte sich der Kreml-Boß vielleicht nur einfach nicht in den Streit einmischen, ob nun Österreich oder Bayern der Nabel der Welt ist?

Bayern hätte ihn sogar in Weihenstephan bei Freising, an der ältesten (jetzt staatlichen) Klosterbrauerei der Welt zum Ehrendoktor ausgezeichnet. Als bayerischer Agrardoktor heimzukehren hätte ihn dort angesichts der sowjetischen Landwirtschaftsprobleme gewaltig nach vorne gebracht.

Wahrscheinlich hater jedoch rechtzeitig über seine Agenten in Tirol erfahren, daß Österreich mit einem plötzlichen Nachtfahrverbot die Versorgung Bayerns mit frischem Obst und Gemüse aus Italien erheblichgefährdet. Stattdessen findet er dann bei uns Milch-, Käse- und Fleischüberschüsse vor, die schon riechen, weil sie nicht rechtzeitig über den Brenner gebracht werden konnten.

Es könnte aber auch sein, daß Gorbatschow von Österreichs neuestem Affront gegen die EG - mit einer absehbaren Eskalation unserer Revanche-Fouls -höchst erfreut ist. Schließlich kann er die Neutralität Österreichs als viel gesicherter betrachten, wenn auch nach dem Baustop in Wackersdorf euere Nord- und Südgrenze ein gefährliches Krisengebiet bleibt.

Solch feindseliges Verhalten gegenüber der EG könnte vielleicht doch eines Tages belohnt werden mit einem Besuch von Gorbi im neutralen Österreich, das dem kalten NATO-An-schlußdurch Tiroler Trotz noch rechtzeitig entgangen ist.

Diese Austro-Show würde sich der sowjetische PR-Zar wohl kaum dadurch versauen lassen, daß die Österreicher die ganze barocke Prachtentfaltung eines solchen Staatsbesuches, zu der halt nur wir Brüder im Alpenglühn begnadet sind, schon einmal in Bayern erleben mußten.

Für unseren neuen Ministerpräsidenten Max Streibl und den CSU-Vorsitzenden Theo Waigel ist es schon eine gewisse Zurücksetzung, wenn Gorbatschow nicht auch nach München kommt, sondem nur zu Lothar Späth nach Stuttgart. Aber sie trösten sich halt damit, daß Gorbatschow eben nicht mehr die Nachfolger von Franz Josef Strauß kennenlernen möchte, sondem lieber gleich den Nachfolger von Helmut Kohl.

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