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Verse über die Letzten Dinge

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Ist dies ein Alterswerk oder eine Dichtung über das Alter, geschrieben im Vollbesitz aller jener Ausdrucksmittel, die Heinz Pototschnig in den vorausgegangenen sechs Bänden den Rang eines der bedeutendsten Lyriker Österreichs gesichert haben? Oder vielleicht gar ein Alterswerk über das Alter, insofern als die Letzten Dinge, von denen dieser Band handelt, auch zur letztmöglichen Herausforderung an den Dichter werden?

Die dekadische Gliederung des Ganzen, der formale Kontrapost des ersten und zehnten Abschnitts und das Herzstück, das genau in der Mitte, in den fünften Abschnitt zu liegen kommt, all das beweist, daß hier des Dichters Ziel gewesen ist, das Intuitive des Moments mit dem Rationalen des überdachten und überdachenden Baues zu verbinden eine „klassische" Sehnsucht, wenn man daran denkt, daß auch Conrad Ferdinand Meyer seine Gedichtsammlung solchermaßen dekalogisch gestaltet und die „Cella" in den Mittelabschnitt „Liebe" verlegt hat.

Das entsprechende Kapitel bei Pototschnig heißt „Augenblicke" und enthält einige der zartesten und einfühlsamsten Metaphern des Bandes: Cellostrich der Hummel... die geflogene Koloratur des Falters... Wasser aus Regenhaaren... Solch selige Augenblicke haben ausschließlich die Natur zur Partnerin. Der Mensch ist auf der Strecke der ersten vier Abschnitte zurückgeblieben, denn „auf Freundschaft legt die Zeit Rost..." Im Abseits liegt der Ball zwischen den Generationen...

Erst in einer aufsteigenden Linie der Abschnitte von sechs bis neun kehrt der Mensch als Auferstandener und Geläuterter wieder. Bis dahin ist es die „Blume der Einsamkeit", die hier blüht. Aber für wen? Für die Letzten Dinge und für denjenigen, der die Trauer als Auftrag auf der Reise durch die Jahrtausende annimmt und weiterträgt, bis in den Spiegel hinein, aus dem es keine Wiederkehr mehr gibt. Dem Einsamen entringt sich das Wort nur in Ein-Wort-Zeilen. Die Wörter tropfen wie in einer Kalksteinhöhle langsam und isoliert. Nur so wird das tiefe Schweigen des Dunkels ermeßlich.

Kontrastierend schließen alkäische Strophen das Werk ab. In der strengen Gliederung liegt der Beweis, daß in der Schönheit die Inkarnation möglich wird.

AUS SPIEGELN KEINE WIEDERKEHR. Von Heinz Pototschnig. Carinthia Verlag, Klagenfurt 1991. 151Seiten,öS 146,-.

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