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Verwaltungsgerichtshof als Garant der Rechtsstaatlichkeit

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„Der Verwaltungsgerichtshof soll“, verhieß der damalige Minister Josef Unger vor 100 Jahren in seiner eindrucksvollen Rede vor dem Abgeordnetenhaus, „ein Fels sein, an dem die politischen Wogen anbrannten und zerschellen werden.“ Als erste Gabe wurde dem frischgebackenen Verwaltungsgerichtshof, der grundsätzlich den in manchen Belangen einem ausufernden Behördenapparat ausgelieferten Staatsbürger in Schutz nehmen sollte, der Grundsatz „fun-damentum regnorum justitia“ mit in die Wiege gelegt.

Heute, fast genau 100 Jahre nach Schaffung dieser rechtsstaatlichen Institution,, die sich mittlerweile in sämtlichen Verfassungsstrukturen der westlichen Demokratien in irgendeiner Form wiederfindet, ist ein Anlaß gegeben, Rückschau zu halten: Wie hat der Verwaltungsgerichtshof die ihm zugewiesene Aufgabe gemeistert, hat er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt, ist er überhaupt in der Lage, angesichts des gerade in diesen Jahren und Jahrzehnten explodierenden St. Bürokratius auch für Recht und Ordnung im schwer durchleuchtbaren Bereich der Verwaltung zu sorgen?

Praktiker und Theoretiker des österreichischen Rechtslebens stellen dem Verwaltungsgerichtshof ein überwiegend positives Zeugnis aus. Schier unlösbar scheinende und politisch so brisante Probleme wie etwa die causa Starhemberg oder die Habsburg-Affäre wurden durch Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes abgeschlossen, der sich gerade in heiklen Problematiken als entscheidender Garant der Rechtsstaatlichkeit erwies.

Die Entwicklung der Aufgabendes Verwaltüngsgerichtshofes ist aber in den 100 Jahren seiner Existenz nicht stehengeblieben. Im Gegenteil. Das

Verwaltungsgerichtshof-Gesetz (VwGG) von 1945 ist bis zum heutigen Tage nicht weniger als zehnmal geändert worden; teils wurde es novelliert, teils wiederverlautbart, teils wurden einzelne Bestimmungen durch Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben. Diese Veränderungen enthalten zum überwiegenden Teil eine wesentliche Fortentwicklung des Schutzes der Einzelperson vor der immer mächtiger werdenden Verwaltung.

Ein Beispiel zur Illustration: Bis vor wenigen Jahren konnten Verwaltungsbehörden darüber entscheiden, ob etwa einem Baubescheid, der in letzter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof angefochten wurde, während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens aufschiebende Wirkung zukommen sollte. Es konnte also passieren, daß ein beim Verwaltungsgerichtshof angefochtener Baubescheid in aller Ruhe exekutiert wurde (weil ihm keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde), während vielleicht nach einigen Jahren derselbe Bescheid durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes außer Kraft gesetzt wurde. Dann aber war es oft zu spät; der Beschwerdeführer stand vor vollendeten Tatsachen. Es wurde also der Rechtsschutz des einzelnen in tatsächlicher Hinsicht verstärkt, indem die Entscheidung über eine eventuelle aufschiebende Wirkung von Bescheiden nunmehr nur mehr beim Verwaltungsgerichtshof und nicht mehr bei. der Verwaltung selbst liegt.

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