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Wer ist Aggressor im Ogaden?

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Einer der größten Kriege in der Geschichte Afrikas dauert in der Wüste Ogaden an. Das Blatt hat sich indes gewendet: Äthiopien ging zur Gegenoffensive über. Somalias reguläre Truppen, die sich als „Befreiungsfront Westsomalias“ ausgäben, fluten zurück und lassen auf dem Schlachtfeld Waffen aus NATO-Arsenalen zurück.

Man hat im Westen den Wunsch geäußert, daß die Kriegshandlungen unverzüglich einzustellen wären, und dabei diesen zweifelsohne vernünftigen, wenn auch etwas verspäteten Vorschlag an die Sowjetunion adressiert. Der Westen möchte Moskau und Havanna als die schlimmsten Störenfriede, beinahe als Aggressoren hinstellen.

Cyrus Vance hat in Washington eine „völlig neue Situation“ im Raum des Horns von Afrika konstatiert und gedroht, die USA würden ihren Standpunkt hinsichtlich der Versorgung Somalias mit Waffen überprüfen, falls die äthiopischen Truppen die somalische Grenze überschreiten.

Der italienische Außenminister Forlani hat, wie er glaubt, die Hauptursache des Konflikts im Ogaden entdeckt, die „umfassende und grobe Einmischung der Sowjetunion“. Der Minister teilte seinerseits nicht mit, ob die italienische Firma „Augusta“ nicht nach Somalia 43 Kampfhubschrauber vom Typ „Cobra“ geschickt hatte, und warum die Somali Granatwerfer italienischer Herkunft benutzen.

Der Strom dieser merkwürdigen Erklärungen zielt offensichtlich darauf ab, bei der internationalen Öffentlichkeit einen Gedächtnisschwund hinsichtlich der Hauptfrage auszulösen, die von den Ereignissen im Ogaden aufgeworfen wird: Wer ist der Aggressor? Wer hat seine Truppen nach Äthiopien - 300 bis 700 Kilometer westlich der somalisch-äthiopischen Grenze - marschieren lassen? Wer besetzt auch heute noch einen Teil des äthiopischen Territoriums? In keiner Erklärung der westlichen Hauptstädte wurden Somalias Handlungen als das bezeichnet, was in den entsprechenden UNO-Dokumenten eindeutig genug definiert ist, als eine Aggression.

Wie bekannt geworden ist, hat Präsident Siad Barre vor dem Überfall auf den Nachbarstaat seinen Leibarzt und Berater Kevin Cahill in die USA geschickt. Während der Gespräche im US-Außenministerium erhielt dieser die Zusicherung, die USA hätten nichts gegen „eine Verstärkung des Drucks“ imOgaden.Darüberhinauserklärte sich Washington bereit, die künftige Aggression Somalias durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Diese Tatsache wird in der offiziellen Erklärung des US-Außenministeriums vom 17. Jänner 1978 zugegeben. Später gingen allerdings die USA von ihrem Versprechen ab, doch änderte das nichts mehr an der Sache: die Aggression begann.

Ein Opfer der Aggression ist wohl berechtigt, für den Schutz seiner Souveränität befreundete Staaten um Hilfe zu bitten. Sowohl Moskau als auch Addis Abeba benutzen zugleich nach wie vor diplomatische und politische Mittel, um die somalischen Führer zu einer Friedensregelung zu bewegen.

Friedliche Perspektiven behagen jedoch den somalischen Führern offenbar nicht. Mogadischu teilte offen die Verlegung neuer regulärer Truppenteile auf den Kriegsschauplatz mit und verkündete die Generalmobilmachung. Die geheimen Verhandlungen mit der NATO über Waffenlieferungen ermutigen die somalische Führung, die eine Inter-nationalisierung des Konflikts herbeisehnt.

Ist sich Siad Barre seiner persönlichen Verantwortung für dieses Geschehen bewußt? In einem BBC-Interview, das am 15. Febiuar ausgestrahlt wurde, hat der Präsident diese Frage mit dem Satz beantwortet: „Wir kämpfen edelmütig, um unsere Ehre zu verteidigen ...“ Unter ,ßhre“ werden hier die Ergebnisse der Aggression verstanden, unter dem „edelmütigen“ Kampf der Einsatz von dreizehnjährigen Somali, die von der Generalmobilmachung erfaßt worden sind.

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