Werner Vogt - © Foto: APA / Robert Jaeger

Werner Vogt: Das Unrecht ans Licht gezerrt

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Er deckte den Justizskandal um Heinrich Gross auf, kämpfte im Gesundheitssystem gegen Fehler, Missbrauch und Unrecht - und war ein vehementer Verfechter des Sozialstaats. Nun ist Werner Vogt 85-jährig gestorben.

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Er deckte den Justizskandal um Heinrich Gross auf, kämpfte im Gesundheitssystem gegen Fehler, Missbrauch und Unrecht - und war ein vehementer Verfechter des Sozialstaats. Nun ist Werner Vogt 85-jährig gestorben.

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„Wann immer man irgendwo hingeht, hört man im Bürokratendeutsch: Es gibt dieses und jenes Problem. Aber in Wirklichkeit wird es nie gelöst, sondern nur definiert und dann abgelegt. Man muss die Probleme also mit aller Gewalt ans Licht zerren – und dazu brauche ich die Öffentlichkeit.“

Also sprach Werner Vogt Anfang 2004 in einem FURCHE-Interview, drei Monate nach seiner Kür zum Wiener Pflegeombudsmann. Angesichts boomender Sachwalterschaften und der langen Nachwehen des Lainz-Skandals, der in den 1980er Jahren ganz Österreich erschüttert hatte, brauchte man jemanden, der die vielen Probleme endlich sichtbar machte und anpackte. Und wer konnte das kämpferischer und wortmächtiger als der gebürtige Tiroler Werner Vogt?

Es war der Fall Heinrich Gross, der den Unfallchirurgen bekanntgemacht hatte. Friedrich Zawrel, ein Überlebender der Euthanasieanstalt „Am Spiegelgrund“, in der rund 800 Kinder von den Nazis ermordet worden waren, kam 30 Jahre später wegen kleinkrimineller Delikte in Haft – und saß dort seinem ehemaligen Peiniger gegenüber, einem der meistbeschäftigten psychiatrischen Gerichtsgutachter des Landes. Konfrontiert mit seiner Vergangenheit, sorgte Gross per Gutachten dafür, dass Zawrel eine lange Strafe ausfasste. Werner Vogt brachte diese unfassbare Geschichte 1979 ans Licht und half Zawrel, dem Strudel gesellschaftlicher Ächtung zu entkommen. In Elisabeth Scharangs Filmen „Mein Mörder“ (2005) und „Meine liebe Republik“ (2007) ist dieses dunkle Stück österreichischer Nachkriegsgeschichte zu erahnen.

Es war freilich nicht Vogts einziger Kampf gegen Unrecht. Er kämpfte als Oberarzt am Lorenz-Böhler-Krankenhaus gegen fatale Verwechslungen und falsche Behandlungen, er kämpfte als Pflegeombudsmann in Wien und im Gesundheits- und Sozialministerium für die Interessen pflegebedürftiger Menschen, er war Mitbegründer der „Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin“ sowie der „Plattform Ärzte und Wissenschafter gegen Euthanasie“ – und er initiierte 2002 auch das Sozialstaats-Volksbegehren mit. „Keiner soll allein gelassen werden, wenn es ernst wird und finster im Leben“, schrieb er 2002 unter dem Titel „SOS Solidarität“ in der FURCHE. „Das sagt der Christ, der Marxist, das ist im System der sozialen Sicherheit Wirklichkeit geworden.“

2019 wurde Werner Vogt von der Österreichischen Liga für Menschenrechte für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Vergangenes Wochenende ist er 85-jährig gestorben.

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