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Afrikas Quasisozialismus zurückgedrängt

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Den Quasisozialismus der jungen Staaten Afrikas kennzeichnet eine gewisse Zwangsläufigkeit. Seine historisch-politische Voraussetzung ist die patriarchalische Stammesstruk- tur und das Gemeinschaftsdenken der Bevölkerung, die ihn gleichzeitig davor bewahren könnten, in den Kommunismus abzugleiten. In Ägypten und in anderen arabischen Ländern gibt es nicht diese Voraussetzungen. Ihre— islamische —Gesellschaftsordnung war nie kollektivistisch, sondern individualistisch. Die politischen Vorläufer und Antagonisten des nasseristischen „arabischen Sozialismus“, Kommunisten und Baathisten, konnten sich deshalb und infolge intakter Religiosität nirgendwo durchsetzen, obgleich sie schärferes ideologisches Profil aufwiesen als die ägyptische Staatspartei.

Abdel Nasser hat daher das zweifelhafte Verdienst, dem Sozialismus kommunistischer Provenienz einen arabisch-afrikanischen Brückenkopf erkämpft zu haben. Weil er kein echtes eigenständiges politisch-soziales Gedankensystem zu entwik- keln wußte, ist er auf die ägyptischen Kommunisten angewiesen. Er hat sie aus den Konzentrationslagern freigelassen, ihre geheimpolizeiliche Überwachung eingestellt und duldet, daß sie in Staatspartei,

Parlament und staatlich reglementierte Presse einsickern. Das ist der Preis, den die Sowjetunion für dauernde Anerkennung und Stützung des Regimes forderte.

Seit Chruschtschow Abdel Nasser zum rechtgläubigen sozialistischen Novizen weihte, ist offensichtlich geworden, daß die Sowjetunion den „Ägypto-Kommunismus“ als Modellfall für andere Entwicklungsländer ansieht. „Ägypto-Kommunismus“, das ist Kommunismus für den Exportgebrauch, auf die spezifischen Gegebenheiten unterentwickelter Länder abgestimmt, vorherrschend nationalistisch, ideologisch scheinbar ungebunden, auf politischer Interessenidentität fußende weitgehende außenpolitische Unabhängigkeit, antiwestlich, und mehr als die „klassischen“ kommunistischen Parteien auf Abhängigkeit von gegebenen Führergestalten zugeschnitten. In jenem „Ägypto-Kommunismus“ treffen sich langfristige (ideologische) kommunistische Ziele mit kurzfristigen (machtpolitischen) Absichten Abdel Nassers, der die zeitgenössische Spielart des ägyptischen Vormachtanspruches in Mittelost und Afrika repräsentiert.

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