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Ägyptischer „Kommunismus“
„Abdel Nasser ist kein Sozialist, er ist ein wildgewordener Kleinbürger!“ Diese höhnische Bemerkung entschlüpfte keinem westlichen, sondern einem kommunistischen Ägyp- tenkenner. Der noch verhältnismäßig junge „arabische Sozialismus“, der die ägyptische Gesellschaftsstruktur umformen soll, wurde lange von den kommunistischen Erzvätern nicht einmal als illegitimes Kind anerkannt. Noch als Chruschtschows Schwiegersohn Alexej Adschubej, 1963 Ägypten besuchte, resümierte er öffentlich: „Ägypten ist kein sozialistisches Land, höchstens ein Land auf dem Weg zum Sozialismus.“ Die Moskauer Ideologen hatten die — pragmatischen — Voraussetzungen und Absichten des nasseristischen Pseudosozialismus durchschaut.
Ein knappes Jahr später wechselte die Szene. Chruschtschow nahm — als er in Assuan, 1964, die gigantische Pyramide des Weltkommunismus besichtigte — die (ncich nicht existente) Staatspartei Abdel Nassere förmlich in die (nicht mehr existierende) kommunistische Internationale auf.
Dazu bewogen ihn politische, nicht ideologische Gründe. In Moskau war.
wie sich nach seinem Sturz herausstellte, immer umstritten, ob Abdel Nasser sowjetischen außenpolitischen und ideologischen Zielen förderlich sei. (Zwei der sechs außenpolitischen Todsünden in dem 29- Punkte-Protokoll, das den Wechsel in Partei- und Staatsführung begründete, hatten ägyptische Ursachen: Der im Mai 1964 versprochene neue 180-Millionen-Pfund-Kredit und die Raketendrohung während des Suezkonfliktes im Oktober 1956.)
Wachsende innere Schwierigkeiten und schwindende westliche Hilfsbereitschaft zwangen Ägypten, Rotchina in die Ost-West-Schaukelpolitik einzubeziehen. Es umging folglich die Forderung seines traditionellen Bundesgenossen Indien, im chinesisch-indischen Grenzstreit unzweideutig Partei zu ergreifen. Im Dezember 1963 kam Tschu En-lai zu einem einwöchigen Staatsbesuch an den Nil. Vorher war Ministerpräsident AH Sabri in Peking gewesen. Drohender rotchinesischer Einflußzuwachs bewerkstelligte, wie Abdel Nasser vorausgesehen hatte, neuerliches sowjetisches Engagement auf politischem, wirtschaftlichem und — last but not least — ideologischem Gebiet.
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