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Glanz und Elend des Sozialismus

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FRIEDRICH ADLER VOB DEM AUSNAHMEGERICHT. Herausgegeben und eingeleitet von 3. W. Brunei. Europa-Verlag, Wien-Frankfurt-Zürich, 1067. S80 Selten. S XX — WIR KOMMEN WIEDER: Eine Geschichte der revolutionären Sozialisien Österreichs, 19g* bis 1838. Von Walter Wisshaupt. Verlar der Wiener Volksbuchhandlung. Wien, 1967. 288 Seiten, hart. S 78.-.

Das Attentat Friedrich Adlers auf den Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh am 21. Oktober 1916 war mehr als ein Anschlag auf einen als Tyrannen empfundenen Politiker. An der Tat Adlers kann man mit besonderer, schmerzhafter Deutlichkeit (wie man sie sonst vielleicht nur

noch bei Karl Kraus: „Die letzten Tage der Menschheit“, findet) die geistige Situation ablesen, in der sich damals der österreichische Sozialismus im besonderen und die österreichische Monarchie im allgemeinen befanden. Auch heute noch fasziniert die Beredsamkeit und die in vielem (freilich nicht in allem) bestechende Logik, mit der sich Friedrich Adler vor dem Ausnahmegericht verantwortete. Was die vorliegende Dokumentation über den Rang eines nur für den Historiker interessanten Dokumentes hinaushebt, was sie auch für die Gegenwart aktuell macht, ist der Umstand, daß man in Adler viel weniger den Rebell gegen die Diktatur als den Rebell gegen die eigene Partei erkennt. Adler protestierte mit seiner spektakulären Tat nicht nur gegen den Kriegsabsolutismus, sondern auch gegen die Politik der Sozialdemokratie, für die der Name Karl Renner stellvertretend steht: die Politik einer weitgehenden Zusammenarbeit mit der autokratisch herrschenden Regierung. Die große Rede Adlers ist ein Dokument über einen Parteikonflikt, hinter dem sich der prinzipielle Gegensatz zwischen zwei verschiedenen Grundauffassungen des Sozialismus verbirgt. Gleichzeitig wird deutlich, welche Welten zwischen der Diktatur des österreichischen Kriegsabsolutismus und einer Diktatur liegen, die einen Freissler zum Vertreter ihrer Rechtsvorstellungen gemacht hat

Man kann vom Parteiverlag der SPÖ natürlich nicht verlangen, daß er eine Geschichte der illegalen Par-

tei der Jahre 1934 bis 1938 veröffentlicht, die das, was damals (in sozialistischer Sicht) an Heroischem geleistet wurde, mit den auch zu dieser Zeit auftretenden Neuralgien des österreichischen Sozialismus in Verbindung setzt. Nimmt man diese eine Einschränkung als Selbstverständlichkeit hin, so muß man das Buch Walter Wisshaupts als durchaus gelungen bezeichnen. Der Autor läßt vor allem die (allerdings nicht sehr zahlreichen) Quellen sprechen und bleibt in seinen kommentierenden Ausführungen im großen und ganzen sehr nüchtern und objektiv.

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