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Rote und Schwarze in den USA

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Genau hundert Jahre waren am 22. September vergangen, seit Abraham Lincoln, mitten im Bürgerkrieg der amerikanischen Nord- und Südstaaten, durch die Emancipation Procla-mation den Sklaven des Südens die Freiheit verlieh. Erst nach dem Kriegsende gewann sie allgemein verbindliche Kraft. Das Sklavenproblem war auf dem Papier gelöst. Das Problem der Farbigen war geblieben... bis auf den heutigen Tag. An ihm scheiden sich Geister unter den Demokraten.

Die amerikanischen Kommunisten haben lange gebraucht, ehe sie das Vorhandensein einer Rassenfrage in den USA entdeckten. Typisch dafür war, daß an den Gründungskonferenzen der KPUSA im Jahr 1919 kein einziger Neger teilnahm. Im umfangreichen Gründungsprogramm hieß es lediglich: „Das Negerproblem ist ein politisches und ökonomisches Problem. Als Rassenfrage ist die Negerfrage einfach der Ausdruck seiner ökonomischen Unfreiheit und Unterdrük-kung, die sich gegenseitig verstärken.“ Mit diesen beiden Sätzen war die Negerfrage im Sinn des dialektischen Materialismus abgetan.Erst in den zwanziger Jahren stießen vereinzelt Neger zur KPUSA, obwohl die Partei sich alle Mühe gab, die Massen zu gewinnen. Im April 1928 stellte der sechste Kongreß der kommunistischen Internationale in Moskau ein Programm zut Lösung der amerikanischen Negerfrage auf, und zwar forderte man die nationale Autonomie für den sogenannten „Black Belt“, die Plantagenzone der Südstaaten, wo die Neger bis heute eine entrechtete Mehrheit bilden. Es gibt Hinweise, wonach Stalin diese Idee, die von den Farbigen der USA niemals akzeptiert werden konnte (da das einzige vernünftige Ziel die volle Gleichberechtigung im gesamten Staatsgebiet der USA sein muß), selbst konzipiert haben soll. Insgesamt ein Schulbeispiel dafür, wie pseudowissenschaftlich begründete Formulierungen zu irrealen politischen Aspekten führen. Nicht weniger als drei Jahrzehnte hatte die KPUSA am „Black-Belt“-Programm zu würgen, bis sie sich endlich 1957 zu einem neuen Standpunkt durchringen konnte. Erst als die Kommunisten die Ziele der Wortführer der amerikanischen Neger annahmen, die auf der Eingliederung als Vollbürger in die Gesellschaft bestehen, konnten sie an Boden gewinnen.

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