Die Financiers der Frontisten Frankreichs

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Der Front National hat die Parole "Frankreich zuerst" ausgegeben. Doch bei der Wahlkampffinanzierung setzt die Partei auf Gelder aus dem Ausland - über teils dubiose Kanäle in Panama. Aber auch Ägypten und Russland stehen hoch im Kurs.

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Der Front National hat die Parole "Frankreich zuerst" ausgegeben. Doch bei der Wahlkampffinanzierung setzt die Partei auf Gelder aus dem Ausland - über teils dubiose Kanäle in Panama. Aber auch Ägypten und Russland stehen hoch im Kurs.

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Der rechtsextreme Front National um Marine Le Pen führt derzeit in Umfragen. Doch die Partei ist chronisch klamm. Um den Präsidentschaftswahlkampf zu finanzieren, benötigt die Partei sechs Millionen Euro, dazu acht Millionen Euro für die Parlamentswahl, hat Schatzmeister Wallerand de Saint-Just vorgerechnet. Jahrelang stopfte Jean-Marie Le Pen mit seinem Privatvermögen und dubiosen Spendengeldern Haushaltslöcher, und auch diesmal springt der verstoßene Patriarch mit seiner Mikropartei Cotelec mit einem Darlehen in Höhe von sechs Millionen Euro in die Bresche.

Die Partei hat ihre Finanzen nicht im Griff. Bücher wurden schlampig geführt, Ausgaben nicht korrekt bilanziert. Seit dem Abgang von Bruno Gollnisch und dem damaligen Vize Bruno Mégret, der sich mit dem Senior überwarf, hat sich das Missmanagement verschärft.

In der Parteizentrale in Nanterre, einem schmucklosen Zweckbau aus den 1970er-Jahren, haben die Verantwortlichen längst den Überblick verloren, wer in den Kommunen auf Rechnung des FN arbeitet. Das Geld rinnt wie aus einem offenen Rohr.

Millionen aus Russland

Auf der Suche nach neuen Geldquellen ist der Front National fündig geworden - und zwar im Ausland. 2014 veröffentlichte die Enthüllungsplattform "Mediapart" einen von russischen Hackern geleakten SMS-Verkehr, aus dem hervorging, dass die Kremlnahe Bank First Czech-Russian Bank (FCRB) dem Front National ein Darlehen in Höhe von neun Millionen Euro gewährte. Weitere zwei Millionen Euro sollen über eine zypriotische Gesellschaft geflossen sein. Seitdem spekulieren Beobachter über die Nähe von Marine Le Pen zu Präsident Putin.

Der FN-Chefin werden enge Verbindungen zum russischen Milliardär Konstantin Malofeev, einem Putin-Intimus, nachgesagt. Es ist kein Geheimnis, dass Le Pen Putin als den letzten Bewahrer des Christentums sieht und mit ihm allzu gern eine Allianz gegen das "liberale" Europa schmieden möchte. Le Pen hat wiederholt betont, dass sie die Annexion der Krim für "nicht illegal" halte. Kungelt Frankreichs Rechte mit Putins Russland? Ist die Pro-Putin-Haltung der Dank für die Kreditlinien? Oder will der Kreml-Chef mit diskreten Finanzspritzen gezielt Einfluss auf die französische Präsidentschaftswahl nehmen?

Fakt ist: Der First Czech-Russian Bank wurde am 1. Juli 2016 die Banklizenz entzogen, nachdem die Kreditrisiken nicht mit genügend Eigenkapital hinterlegt wurden. Seitdem pocht die Bank auf Rückzahlung des Kredits. Berichte des "Canard enchaîné", wonach der Front National weitere Kredite in Höhe von 27 Millionen Euro in Russland suche, dementierte die Partei. Auf Schützenhilfe aus dem eigenen Land dürfen die Frontisten nicht hoffen. "Die französischen Banken leihen nicht", räumte Parteivize Florian Philippot ein. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Banken für eine Partei, die sich "France First" auf die Fahnen schreibt, nicht bürgen will. Der Suchradius umfasst die ganze Welt. "Die Priorität für mich ist, eine Bank zu finden, sei sie guatemaltekisch oder amerikanisch", sagte Marine Le Pen.

Der Blick geht offenbar zunehmend auch in den Nahen und Mittleren Osten. Nach Recherchen von Mediapart gab es Geschäftsanbahnungen mit einer Bank im Emirat Abu Dhabi.

Billige Kredite

Jean-Luc Schaffhauser, Abgeordneter des Rassemblement Bleu Marine (RBM), einer Art Vorfeldorganisation des Front National, wird in dem Bericht mit den Worten zitiert, die Scheichs würden einen Zins von 2,8 Prozent verlangen. Mit Petro-Dollars in den Elysée-Palast? Über konkrete Details des Geschäfts schweigen sich die Beteiligten aus. Der Deal ist trotzdem brisant, weil Le Pens Ägyptenreise, wo sie sich mit Präsident alSisi traf, von emiratischen Fonds finanziert wurde. Machthaber al-Sisi, der die Opposition mit brutaler Härte unterdrückt, nannte Le Pen "einen couragierten Mann". Ist es die schiere finanzielle Not, die die sonst so raubeinig auftretende Populistin so devot gegenüber Potentaten werden lässt?

Dass Gelder über dubiose Kanäle in das französische Parteiensystem fließen, ist keine neue Erkenntnis. Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der noch vor der Flüchtlingskrise Pläne einer Mittelmeerunion hatte und Libyens Machthaber Gaddafi zum Entsetzen der Hauptstadtpresse vor dem Elysée-Palast zelten ließ, hatte enge Verbindungen zu Katar. Bei einem Abendessen 2010 im Elysée-Palast, bei dem unter anderem der damalige UEFA-Präsident Michel Platini, der Emir von Katar, Scheich Hamad Al Thani und die Klubführung von Paris Saint-Germain zu Gast waren, soll der Hausherr die WM an Katar verramscht haben. Gegen Sarkozy wurden Ermittlungen wegen illegaler Wahlkampffinanzierung unter anderem aus Libyen aufgenommen. Müsste man die Parteienfinanzierung nicht stärker reglementieren?

Studienbande

Marine Le Pen schickt sich an, Präsidentin von Frankreich zu werden, akquiriert Gelder aus der ganzen Welt -und Tout-Paris schaut zu. Die Chefin des Front National besitzt offenbar ein weit verzweigtes globales Finanzierungsnetz. "Le Monde" berichtete unter Berufung auf die Auswertung der Panama-Papers, dass Vertraute Le Pens ein "ausgeklügeltes Offshore-System" zwischen Hongkong, Singapur und Panama etabliert hätten.

Im Zentrum dieses Schleusernetzwerks soll Frédéric Chatillon stehen, ein alter Studienkollege von Marine Le Pen, mit dem sie gemeinsam studierte. Le Pen schusterte ihrem alten Weggefährten einen lukrativen Auftrag zu: Er sollte exklusiv die Kommunikationsarbeit bei den Wahlen übernehmen. 2012, einen Monat nach der Präsidentschaftswahl, transferierte Chatillon über ein komplexes Konstrukt aus Tarn- und Tochterfirmen 316 000 Euro an die Offshore-Firma eines Freundes in Singapur. Im Zuge der Panama-Leaks mussten sich mehrere hochrangige FN-Funktionäre vor Gericht verantworten.

Die Parteispitze soll in einem mafiösen System Politikern, die auf ihrer Liste kandidierten, zum Kauf eines völlig überteuerten "Wahlkampf-Kits" von 16 500 Euro genötigt haben, das von der ominösen Firma Riwal hergestellt wurde. Der Preis stand in keinem Verhältnis zum Wert. Um den Kauf zu finanzieren, wurden Kandidaten ein Kredit bei der Mikropartei Jeanne zu horrenden Konditionen (6,5 Prozent Zinsen) angeboten.

Noch scheint jeder mögliche Skandal an Le Pen abzuprallen. Doch wo die dubiosen Vorgänge justitiabel sind, endet die Immunität der Parteichefin. Das Europäische Parlament hat die Immunität der Rechtspopulistin wegen der "Verbreitung von Gewaltbildern" bereits aufgehoben. Die Vergangenheit könnte Marine Le Pen noch einholen.

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