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Franco sucht Regierungschef

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Spaniens politische Maschinerie beginnt sich nach den langen Sommerferien wieder langsam in Bewegung zu setzen. Wenn man den politischen Wetterprognostikern glauben will, wird der sich bereits ankündigende Herbst interessant und vielleicht auch stürmisch werden. Die besonders Eifrigen unter den Regierungsmitgliedern hielten bereits ihre ersten Pressekonferenzen und gaben Erklärungen ab. Gonzalo Fernändez de la Mora, gesprächiger Minister für öffentliche Arbeiten, sagte im Madrider Internationalen Presseklub, daß die „Ernennung eines Regierungspräsidenten eine legale Möglichkeit ist, die in jedem Augenblick eintreten kann“. Damit gab er das Stichwort für die Spekulationen, die sich bereits seit Wochen um eine bedeutende Veränderung an der Regierungsspitze konzentrieren.

Diesen Spekulationen zufolge hat der Rat des Königreiches bereits in einer seiner letzten Sitzungen die verfassungsmäßig vorgesehenen drei Personen aufgestellt, aus denen Franco den Regierungspräsidenten auswählen soll. Dabei soll es sich um den bis vor einem Jahr das Amt des Parlamentspräsidenten ausübenden Antonio Iturmendi, den ehemaligen Marineminister Nieto Antünez und den Regierungsvizepräsidenten Luis Carrero Blanco handeln. Auch auf wen Francos Wahl fallen wird, will man schon wissen: auf Carrero Blanco, Spaniens „Eisernen Kanzler“. Hohe Militärs sollen sich in einer Zusammenkunft vor kurzem für ihn ausgesprochen haben.

Es ist durchaus einleuchtend, daß sich Franco für Carrero Blanco entscheiden dürfte. Seit 1968 übt Blanco de facto die Funktion eines Ministerpräsidenten aus und ist die Schlüsselflgur bei Kabinettsumbildungen. Es wird sogar behauptet, daß er bei Ministerernennungen — wie die des Erziehungsministers Vil-lar Palasi, 1968 — das dem Regierungspräsidenten zustehende Vorschlagsrecht ausgeübt habe. Jedenfalls weiß man von Carrero Blanco, daß er weder nachgiebig noch zögernd in seiinen Entscheidungen ist, obzwar ihr ganzes Ausmaß kaum bekannt wird. Der im Volk wenig Sympathien, aber Respekt genie-

ßende Carrero Blanco ist jedenfalls allgemeiner Auffassung nach der einzige Mann, der außer Franco imstande ist, alle Regierungsfäden fest in seiner Hand zu halten, und der mit dem Opus Dei und den Streitkräften auf gleichermaßen gutem Fuße steht. Bis zum 20. Oktober, so behaupten die angeblich besonders gut Informierten, soll die Ernennung Carrero Biancas zum Regierungspräsidenten erfolgen.

Doch selbst wenn diese Ernennung ausbleiben sollte, wird es in den kommenden Monaten ausreichend politische Bewegung im Lande geben: Im November sollen die Kommunalwahlen zur teilweisen Erneuerung der Stadträte über die Bühne gehen. In Madrid werden 18 Stadträte erneuert, in Barcelona sind es 19. Trotz aufmunternder Artikel in den Zeitungen Madrids und in den großen Regionalblättern, die demokratischen Rechte auszuüben, herrscht bislang noch Interesselosigkeit, die jedoch, wie man offizieller -seits annimmt, im letzten Augenblick ins Gegenteil umschlagen kann. Einen Anhalt für diese Annahme bietet die Weisung an die Zivil-gouvemeure, sanfte Hand walten zu lassen.

Schließlich wird das Gewerkschafts-Vorbereitungszeit, dem Parlament vorgelegt werden, um, wie man hofft, die durch die Lohnforderungen der Arbeiter bedingte und durch sich über die ganze Wirtschaft erstrek-kende Streiks verschiedenen Ausmaßes und unterschiedlicher Vehemenz gekennzeichnete soziale Unrast zu dämpfen.

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