"Das Interesse am Holocaust nimmt ja zu"

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Anton Pelinka zum Plan eines Wiesenthal-Instituts.

Die Furche: Warum hatte Wiesenthal ein so starkes Interesse daran, dass sein Archiv in Wien bleibt?

Anton Pelinka: Es war eine Entscheidung, die viele überrascht hat. Der Hintergrund ist vermutlich, dass er in seinen letzten Lebensjahren doch sehr eng mit der jüdischen Gemeinde in Österreich zusammengearbeitet hat und dass auch die Beziehung zwischen ihm und der Republik Österreich besser geworden ist.

Die Furche: Eine Unterbringung des Archivs in der Nationalbibliothek, würde doch niemanden daran hindern, am Nachlass zu forschen?

Pelinka:Was eine bloße Unterbringung eben nicht bringen kann ist, dass ein Institut entsteht im Sinne von Leuten, die sich zuständig fühlen für das Archiv und für Forschungen rund um das Thema Holocaust. Es können dann zwar Leute kommen, sich bestimmte Unterlagen holen lassen, etwas exzerpieren und dann wieder gehen. Aber es kann keine Corporate Identity in dem Sinn entstehen, dass dort Forscher miteinander sprechen, dass dort eine Tagung stattfindet, dass man Leute einlädt, ein halbes Jahr hier zu forschen. Das Institut soll das systematisch organisieren.

Die Furche: Wo liegen die Defizite in der österreichischen Holocaust-Forschung?

Pelinka: Es gibt wenig Forschung über die Beteiligung von Österreicherinnen und Österreichern am Holocaust am Balkan. Zweites Defizit: die Grauzone zwischen Tätern und Opfern. Und das dritte ist die vergleichende Holocaust-Forschung, und das geht natürlich über Österreich hinaus, insofern ist das ein gesamteuropäisches Projekt.

Die Furche: Warum Holocaust-Forschung, nachdem der Großteil der Täter tot ist?

Pelinka: Es geht nicht um die juristische Seite. Da gibt es noch einige Fälle, aber das ist Sache der Justiz. Der Holocaust ist von einer so einmaligen Dimension und eine so beängstigende Angelegenheit - beängstigend, was die Möglichkeit der Wiederholung betrifft, dass eine Gesellschaft gut beraten ist, sich damit auseinander zu setzen. Das Interesse am Holocaust nimmt ja weltweit eher zu und nicht ab. Gerade deswegen, weil die meisten Täter und unmittelbaren Opfer nicht mehr leben.

Das Gespräch führte Sarah Seekircher.

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