Wiesenthal verpflichtet

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Ob die Pläne für ein "Wiener Simon Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien" Realität werden, ist ungewiss. Denn die Bundesregierung will bei der Finanzierung nicht so recht mitspielen.

Um die Zukunft des Nachlasses von Simon Wiesenthal ist eine Diskussion entbrannt. Auf der einen Seite stehen eine Gruppe von Wissenschaftern und die Israelitische Kultusgemeinde, die rund um Wiesenthals Nachlass eine Forschungsstätte aufbauen wollen: das "Wiener Simon Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien". Auf der anderen Seite der Bund, der diese Einrichtung finanzieren soll, aber (noch) nicht will.

Im November 2004 tat Simon Wiesenthal in einem Brief an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel folgenden Wunsch kund: Sein Archiv solle in Österreich bleiben, des Weiteren solle in einer institutionalisierten Form daran geforscht werden. Der Bundeskanzler versprach in seinem Antwortschreiben, dafür Sorge zu tragen, dass Wiesenthals Dokumente nicht nur in Österreich bewahrt, sondern auch aufgearbeitet werden. Allerdings verwies der Kanzler schon damals auf die Möglichkeit, den Nachlass in der Österreichischen Nationalbibliothek unterzubringen.

Schüssels Variante

Eine reine Lagerung der Dokumente ohne Forschungsbetrieb werden aber die Erben von Wiesenthals Nachlass - seine Tochter und das von Wiesenthal gegründete Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes - nicht zulassen. In diesem Fall droht das Archiv ans Ausland verloren zu gehen. "Es ist unsicher bis unwahrscheinlich, dass das Archiv, wenn nicht drumherum ein Institut entsteht, in Wien bleibt. Der Wille Wiesenthals ist, dass das Archiv unter bestimmten Vorraussetzungen in Wien bleibt. Ob eine bloße Unterbringung diese Bedingung erfüllt, ist fraglich", betont der Politikwissenschafter Anton Pelinka.

Interessenten auf dem Handelsplatz des Simon-Wiesenthal-Nachlasses gibt es zur Genüge. Pelinka spricht von einer "freundschaftlichen Konkurrenz" um Wiesenthals Archiv: So würde sich beispielsweise die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem oder auch das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles um den Nachlass bemühen.

Die Initiative für ein Wiener Wiesenthal-Institut haben die Israelitische Kultusgemeinde, das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften, das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, Wiesenthals Dokumentationsarchiv, das Jüdische Museum Wien und Anton Pelinka ergriffen. Das Institut soll mit einem kleinen Stab von Forschern agieren und internationale Holocaust-Wissenschafter nach Wien holen. Forschungsgegenstände wären beispielsweise der Umgang mit dem Holocaust in Österreich, den USA und Polen. Auch Vergleiche mit anderen Genoziden wären ein Thema.

"Es gibt im Bereich der Naturwissenschaften das Institut, das nach Gugging kommen soll. Das ist natürlich ein Vielfaches, was die Kostenseite betrifft. Es gibt die Auffassung, Investitionen in hoch qualifizierte, internationale Spitzenforschung machen sich bezahlt", so Pelinka.

Vergleich mit Gugging

Wiesenthals Archiv besteht aus 8000 Akten, "alles das, was Wiesenthal seit 1945 gemacht hat", beschreibt Pelinka den Umfang. Darunter Zeugnisse jener 1000 Fälle, die der "Nazijäger" im Lauf seines Lebens vor Gericht gebracht hat. "Für Laien ist es unvorstellbar, welche Menge an Akten das Archiv beinhaltet und wieviele davon noch nicht verarbeitet wurden", meint Ingo Zechner von der Israelitischen Kultusgemeinde.

Wiesenthal konnte die erste Verhandlungsrunde um die Finanzierung des Forschungsinstituts, das seinen Namen trägt, nicht mehr miterleben. In jener Septemberwoche 2005, in der die Verhandlungen begannen, wurde er beerdigt.

Über ein halbes Jahr später ist die Zukunft des Instituts immer noch ungewiss. Die Stadt Wien erklärte sich zwar bereit, 50 Prozent des Kosten zu tragen, aber nur unter der Bedingung, dass sich der Bund im gleichen Ausmaß an der Finanzierung beteiligt, also die restlichen 50 Prozent übernimmt. "Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung", meint die Pressesprecherin des Wiener Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny. Man spielt den Ball weiter an die Regierung: "Dass die Bundesregierung nicht bereit ist, dieses Forschungszentrum mitzufinanzieren, wundert uns sehr. Im Gedenkjahr haben sie viel in diese Richtung versprochen."

Ähnliches wie die Stadt Wien wirft auch Pelinka der Regierung vor: "Die Bundesregierung hat im Gedenkjahr hervorragend Sponsoren gesucht. Sie kann das sicherlich durch ihr Gewicht besser als ein kleiner Verein wie unserer. Wir erwarten ja von ihr nicht, dass sie die Förderung zu 100 Prozent aus dem Budget direkt nimmt."

Kosten reduziert

Ein wenig billiger geben es die Initiatoren des Instituts mittlerweile, um der Bundesregierung entgegenzukommen: Die Umbaukosten für das Haus der Israelitischen Kultusgemeinde am Rabensteig, das Wiesenthals Archiv und den dazugehörenden Forschungsbetrieb beherbergen soll, wurden von 14 auf zehn Millionen Euro reduziert. Zechner kann sich außerdem vorstellen, die jährlichen 2,5 Millionen Euro Betreibungskosten um 500.000 Euro zu senken. "Lösungsansätze könnte man bei partiellen Einsparungen oder Drittinvestoren finden."

Jetzt wäre der zweite Verhandlungspartner - die Regierung - am Zug. Kanzlersprecherin Heidi Glück weiß aber wenig Konkretes, nur: "Beide Seiten haben Interesse daran bekundet."

Übrigens weist Pelinka auch auf das Washingtoner Abkommen zur Entschädigung von Arisierungsopfern in Österreich vom Jänner 2001 hin: "Darin steht eine allgemeine Absichtserklärung Österreichs: Dass sich Österreich verpflichtet, einschlägige Einrichtungen und Einrichtungen, die diese Forschung betreiben, zu unterstützen."

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