Priester, Philosoph, Pionier der Wende

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Priester, Philosoph, Vordenker einer Gewerkschaftsbewegung: drei Berufungen, die selten so in einer Person vereinigt erschienen wie bei Jozef Tischner. Tischner, einer der Köpfe der katholischen Intelligenz Polens, erlag letzte Woche in Krakau 69-jährig seinem langjährigen Krebsleiden.

Als Anfang der achtziger Jahre in Polen die Gewerkschaft Solidarno's'c das Land erfasste, war Tischner Berater der jungen Bewegung: ein Philosoph, Phänomenologe, der nicht den Bodenkontakt verlor, sondern der als Denker und als Prediger die selten geglückte Einheit zwischen Politik, Philosophie und Glauben verkörperte. Tischners auch auf deutsch erschienenes, längst vergriffenes Buch "Ethik der Solidarität. Prinzipien einer neuen Hoffnung" (1982) gibt beredt Zeugnis davon.

Tischner gehört - durchaus in einem Atemzug zu nennen mit Johannes Paul II., der ihm freundschaftlich verbunden war - zu den Wegbereitern der Wende nach 1989. Erhard Busek, auch er ein Freund Tischners, würdigte dessen europäisches Werteverständnis: Die von Tischner propagierte Grundidee der Solidarno's'c, "dem Menschen die Würde wieder zu geben", hat nicht nur nach Buseks Überzeugung großen Einfluss auf die Ablöse des Kommunismus gehabt.

In Absprache mit Johannes Paul II. gründete Jozef Tischner 1982 gemeinsam mit Kardinal König, Erhard Busek und dem polnischen Philosophen Krzysztof Michalski das "Institut für die Wissenschaften vom Menschen" in Wien, das auch heute noch eine humanwissenschaftliche Dialoginstitution ersten Ranges darstellt.

Tischner, dessen lebensnahe und humorvolle Weise, existentielle Fragen auf den Punkt zu bringen, viele seiner Zuhörer beeindruckte, war auch nach 1989 ein unbequemer Zeitgenosse, als er etwa die Konsumideologie in Polen anprangerte. Auch die katholische Kirche des Landes blieb von harter Analyse nicht verschont: Tischner kritisierte wiederholt die politische Linie der polnischen Kirchenführung, der das Verständnis für eine offene Gesellschaft fehle. ofri

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