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Die Kraft der Wissenschaft

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,3etrachten Sie den Menschen!" Dieser Mahnung von Papst Johannes Paul II. vor österreichischen Wissenschaftern, Künstlern und Publizisten folgt das „Institut für die Wissenschaften vom Menschen" in Wien, dessen Präsident der Krakauer Prälat Professor Jozef Tischner ist, bekannt als guter Freund des Papstes und als Autor der „Ethik der Solidarität".

Tischners Buch gab auch den Anstoß für ein neues Projekt (Arbeitstitel „Social Ethics") im Rahmen des 1982 gegründeten Instituts. Schon haben sich um den deutsch-polnischen Kern des Instituts, das eine weitere Aufwertung Österreichs als Stätte der internationalen Begegnung darstellt, die erstrebten weiteren wissenschaftlichen Ost-West-Kontakte ergeben. Institutsdirektor Krzysztof Michalski schätzt, daß bis Ende 1984 schon 200 Wissenschafter, davon ein Viertel aus Osteuropa, zu Institutsveranstaltungen nach Wien gekommen sein werden.

Hier ist das der Öffentlichkeit noch kaum bekannte Forschungsinstitut zu Hause. Ehrenmitglieder sind Kardinal Franz König, Bürgermeister Leopold Gratz und Vizebürgermeister Erhard Busek, die auch 1983 in Castel Gandolfo der Tagung des wissenschaftlichen Beirates — besetzt mit Kapazitäten aus aller Welt — beiwohnten (FURCHE 35/1983). Johannes Paul II. war Gastgeber und interessierter Zuhörer.

Auf solchen Tagungen (die nächste zum Thema „Krise" findet im August 1985 in Castel Gandolfo statt) geht es um die Rahmenplanung. Zu den einzelnen Projekten werden prominente Forscher aus Ost und West geholt.

Ein klerikaler Stoßtrupp? Prälat Tischner betont: „Wir sind eine wissenschaftliche, keine konfessionelle Institution. In gewissem Sinne steht die Wissenschaft über der Ideologie. Das Institut ist Ausdruck unseres Glaubens an die selbständige Kraft der Kultur und Wissenschaft. Vielleicht glauben wir im Osten mehr an diese unabhängige Macht als im Westen." Direktor Michalski ergänzt: „Wenn man an diesem Glauben nicht festhält, bekommt man kaputte Universitäten. Die Hochschulen, die gut geblieben sind, sind unabhängig von Ideologie und Bürokratie."

„Wenn sie gute Wissenschafter sind" (Michalski), steht das Institut Forschern verschiedener Weltanschauung offen: dem katholisch-konservativen Philosophen Robert Spaemann (Projekt „Menschenrechte in christlichtheologischem und säkularem Verständnis") ebenso wie dem ehemaligen französischen KP-Mitglied Jacques Derrida (Projekt „Recht auf/zur Philosophie").

Eine Arbeitswoche über Ludwig Wittgenstein im September 1984 im Rahmen des Projektes „Die philosophischen Grundlagen der Sozialwissenschaften" ist nächster Höhepunkt im umfangreichen Arbeitsprogramm, auf dem ab 1985 unter anderem das interessante Thema „Politische Verantwortung und politisches Engagement" steht.

Wo bleiben die Naturwissenschaften? „Wir stehen erst am Anfang", sagt Jozef Tischner, „wir planen für die Zukunft solche, aber auch Theologie-Projekte. Wir wollen eine Plattform für katholische, protestantische und orthodoxe Theologen schaffen." Der geistige Brückenschlag ist das Ziel, die Autonomie Vorbedingung. „In Polen ist die Autonomie der Wissenschaft und des Geisteslebens ein selbstverständlicher Wert", sagt Michalski. Das Universitätengesetz aus der „So-lidarität"-Zeit blieb gültig, Polens Universitäten haben mehr mit Finanzsorgen zu kämpfen als mit ideologischer Bevormundung.

Hauptförderer des Instituts (Budget 1984: sechs Millionen Schilling) sind ausländische Stiftungen und die Stadt Wien. Die in der Wiener Zeitschrift „Falter" in einem anonymen Leserbrief dem Institut nachgesagte Verbindung mit der Vereinigung „Opus Dei" wird von beiden Institutionen dementiert.

Dem Streben nach Unabhängigkeit opferte das Institut auch eine mögliche Zuwendung des Wiener Wissenschaftsministeriums. Ein Subventionsansuchen an das Ministerium wurde im Auftrag des Ministers von einem Beamten des Hauses, Univ.-Doz. Rudolf Burger, abgelehnt, aber folgende Hintertür gezeigt:

„Möglich wäre allenfalls die Durchführung und Teilfinanzierung gemeinsamer Veranstaltungen, sofern deren Themenstellung in den Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung fällt... Ich darf Sie in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß von dem Ordinarius für Philosophie der Universität Wien, Herrn Univ.-Prof. Dr. Michael Benedikt, für Juni d. J. eine internationale Arbeitstagung: „Analysen zur kritischen Anthropologie" vorbereitet wird ... Vielleicht bietet sich hier die Möglichkeit einer fruchtbaren Zusammenarbeit ..."

Der im Ministerium Subventionen vergebende Dozent Burger gehört übrigens laut Vorlesungsverzeichnis der Universität Wien zur Arbeitsgruppe von Prof. Benedikt.

Das Institut hat nach dieser Belehrung, wie in Österreich Forschungspolitik betrieben wird, auf das gemachte Angebot verzichtet.

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