FIS-Präsident Gian Franco Kasper - © Foto: picturedesk.com / Stefan Adelsberger / EXPA

"Wir können niemanden verhaften"

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Der ÖSV kämpft mit einer Serie von Dopingskandalen. Der Nordische Direktor des ÖSV, Toni Innauer, forderte schon 1999 in einem<br /> Schreiben an den Internationalen Skiverband FIS bessere Dopingkontrollen. Er erhielt keine Antwort. Ein Gespräch mit FIS-Präsident Kasper.

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Der ÖSV kämpft mit einer Serie von Dopingskandalen. Der Nordische Direktor des ÖSV, Toni Innauer, forderte schon 1999 in einem<br /> Schreiben an den Internationalen Skiverband FIS bessere Dopingkontrollen. Er erhielt keine Antwort. Ein Gespräch mit FIS-Präsident Kasper.

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Der ÖSV kommt nicht zu Ruhe.
Während der Nordischen WM in Seefeld wurden unter an-
deren drei ÖSV-Langläufer
des Blutdopings überführt. In Oberösterreich meldeten sich Frauen, die einem ÖSV-Betreuer sexualisierte Gewalt vorwerfen. Die ÖSV-Präsidentenkonferenz nominierte den des Dopings überführten und mit einer zweijährigen, inzwischen abgesessenen Strafe belegten Christian Hoffmann zur Skibergsteiger-WM. Der ÖSV-Langlaufchef Markus Gandler muss gehen.
Der ÖSV ist Mitglied des Internationalen Skiverbandes. Die FURCHE befragte den FIS-Präsidenten Gian Franco Kasper zu aktuellen Problemen mit Doping, ÖSV und einer informellen Absprache 2008, in der die Bewältigung des ÖSV-Dopingskandals bei den Winterspielen Turin 2006 und die Vergabe der Alpinen WM 2013 an Schladming mit dem ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel besprochen wurden.
Die Furche: Herr Präsident Kasper, die Anti-Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft München hat bei ihren Ermittlungen in der Nachfolge des Dopingskandals bei den Nordischen Weltmeisterschaften in Seefeld Sportler aus drei Wintersportarten im Visier. Wissen Sie, ob Sportler der FIS betroffen sind?
Gian Franco Kasper: Ich weiß nichts Näheres. Die FIS verstärkt jedenfalls den Anti-Doping-Kampf, wir investieren jedes Jahr eine Million Franken, dazu kommen die adminis­trativen Kosten. Wir sind keine Staatsanwaltschaft und können niemanden verhaften, aber wir versuchen alles, um unseren Ruf zu schützen. Ich weiß nicht, welche Wintersportarten die Münchner Staatsanwaltschaft meint, ist Langlauf eine Sportart oder nur eine Disziplin? Solange wir keine Namen haben, sind das Spekulationen.
Die Furche: Seit den Winterspielen von Sotschi 2014, bei denen die gastgebenden Russen nach Berichten der Welt-Anti-Doping-Agentur staatlich organisiertes Doping betrieben haben sollen, steht der Spitzensport unter Verdacht. Räumt die FIS-Satzung die Möglichkeit ein, Verbände, die wie der ÖSV regelmäßig mit Dopingskandalen auffallen, zu sanktionieren oder auszuschließen? Der Internationale Leichtathletikverband hat den russischen Verband ja auch ausgeschlossen.
Kasper: Selbstverständlich, das ist Teil unseres Anti-Doping-Regulativs. Ein langes und kompliziertes Kapitel.
Die Furche: Nimmt die FIS den Kampf gegen Doping wirklich ernst? Der ehemalige Nordische Direktor des ÖSV, Anton Innauer, hat vor der WM 1999 in der Ramsau der FIS einen Brief geschrieben und gebeten, den damals gerade entwickelten EPO-Test doch anzuwenden. Er hat nicht einmal eine Antwort bekommen. Was wissen Sie darüber?
Kasper: Ich kenne den Brief nicht, nehme aber an, Innauer hat ihn an die medizinische Kommission geschrieben. Deren Vorsitzender war damals der Österreicher Ernst Raas. Hätte ich den Brief bekommen, hätte ich eine Antwort geschickt.
Anton Innauer wollte mit dem Brief vor Beginn der Nordischen WM in Ramsau 1999 an die medizinische Kommission der FIS sichergehen, dass bei der WM die bestmöglichen Tests angewendet werden. Doch niemand außer Innauer scheint sich beim ÖSV darüber Sorgen gemacht zu haben. Innauer erhielt von Raas keine Antwort und legte nach der WM 1999 seine Verantwortung für Langläufer und Biathleten zurück. Auch heute beantwortet Ernst Raas Fragen zum Brief nicht. Der ÖSV behauptet, den Brief nicht zu kennen und stellt fest, der EPO-Test sei erst 2000 von französischen Wissenschaftlern entwickelt worden. Das ist in irreführender Weise unvollständig. Schon 1988 hatte die FIS EPO als Doping-substanz klassifiziert. 1998 wurde ein EPO-Test auf einem Wissenschaftskongress vor-
gestellt, 2000 wendete das IOC einen –
technisch nicht ausgereiften – Test bei den Sommerspielen in Sydney an. Im selben Jahr publizierten zwei französische Wissenschaftler eine Nachweismethode für künstlich zugeführtes EPO in der Wissenschaftszeitschrift Nature. Und 2002 war der Test bei den Winterspielen in Salt Lake City State of the art. Dort hinterließen ÖSV-Sportler gebrauchte Blutbeutel im Müll ihres Quartiers. Sie dopten nicht mit EPO, sondern wie 2019 in Seefeld mit Eigenblut.

Die Furche: Sprechen wir über einen konkreten Fall von Kampf gegen Doping aus 2008, der für Österreich große Folgen hatte. Am 25. Mai 2008 saßen Sie, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, ÖSV-Anwalt Karl Heinz Klee und der Vorsitzende des Anti-Doping-Komitees der FIS, der Kanadier Patrick Smith, vier Männer, in einem Luxushotel in Südafrika zusammen, um den ÖSV-Dopingskandal 2006 in Turin und die Vergabe der Alpinen WM 2013 zu besprechen.
Kasper: Das war keine offizielle Sitzung. Wir waren in einer Ecke des Raums, da ist es zeitweise laut geworden und viele Menschen konnten zuhören.

Die Furche: Wir haben eine handschriftliche Notiz darüber aufgetrieben.
Kasper: Patrick Smith ist immer noch der Vorsitzende. Das war damals eine Diskussion und kein Agreement über den Dopingskandal von 2006. Wir haben auch die Vergabe der WM an Schladming nicht mit dem Skandal von Turin verknüpft, es ging um die Kommunikation nach außen.
Die Furche: In der Notiz geht es aber sehr wohl um eine Verknüpfung. Da steht, dass Schröcksnadel nicht für den FIS-Vorstand kandidiert, wenn vorher Schladming die WM erhält.
Kasper: Von uns aus gab’s da keine Verbindung. Schladming hatte sich ja schon ein paar Mal beworben und war damals schlicht der beste Kandidat. Es ist eine geheime Abstimmung, ich kann Ihnen nicht sagen, wer für wen warum gestimmt hat.
In der Notiz heißt es: „Peter S. agreed that, upon Schladming winning the bid he will
announce that he is not standing for election to council.“
Die Furche: Im erwähnten Sitzungsprotokoll 2008 steht auch, und das war offenbar Konsens der Anwesenden: Peter Schröcksnadel trage keine persönliche Verantwortung für den Skandal 2006. Was immer das heißen mag.
Kasper: Wenn er sich etwas zuschulden hätte kommen lassen, hätten wir reagieren müssen, aber in diesem Fall hat ihn später ein Gericht in Italien freigesprochen. Also war er für uns unschuldig. Damit ist der Fall für uns erledigt.
Die Furche: Der ÖSV legte der Stadt Schladming einen Vertrag vor, in der der Zuschuss der FIS geschwärzt war. Stimmt es, dass die FIS dem ÖSV für die Organisation der WM 2013 46 Millionen Franken zahlte?
Kasper: Die 46 Millionen Franken stimmen, das war damals relativ hoch. Die Summe hängt von den jeweils gültigen Fernseh- und Marketingverträgen ab. Es ist nach Schladming runtergegangen, für 2021 ist es wieder höher, weil wir mit Infront einen neuen Partner haben. Rund 70 Prozent der Einnahmen geht an die Organisatoren der Nordischen und der Alpinen Weltmeisterschaften.
Die Furche: Peter Schröcksnadel ist seit 1990 Präsident des ÖSV. Sämtliche Dopingskandale fallen unter seine Verantwortung. Außerdem gibt es neben der strafrechtlichen eine politische Verantwortung für einen Verband. Ist ein Mann wie Schröcksnadel für die FIS noch tragbar?
Kasper: In der FIS entscheiden einzig und alleine die stimmberechtigten nationalen Skiverbände, ob er gewählt wird oder nicht.
Die Furche: Markus Gandler ist seit 2003 für die immer wieder bei Dopingskandalen auffälligen Langläufer des ÖSV verantwortlich. Er sitzt laut FIS-Homepage (15. April 2019) noch in der FIS-Kalenderkommission für den Langlauf. Kann die FIS dem ÖSV nicht seinen Abschied nahelegen?
Kasper: Das wäre eine theoretische Möglichkeit. Herr Gandler muss aus dem ÖSV ausscheiden, habe ich gehört. Wenn er dort nicht mehr ist, kann er in der FIS auch den ÖSV nicht mehr vertreten.
Die Furche: Sonst besteht die Gefahr, dass die FIS in den Verdacht gerät, sie schaut bei unangenehmen Fragen weg.
Kasper: Wir schauen sicher nicht weg, aber wir haben keine Kompetenz über Gandler. Und wir können auch nicht feststellen, ob er sich als Schuldiger herausgestellt hat oder nicht.

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