Profiskier - © Foto: iStock/amriphoto

Sportförderung: Leistung ist nur ein Wort

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Das System des österreichischen Spitzensports und seiner Förderung krankt an seiner Vermischung mit öffentlichen Funktionen.

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Ende April 2006 war es so weit. Das Protokoll der Präsidentenkonferenz des Österreichischen Skiverbandes hält zur Ruhestandsregelung seines Generalsekretärs fest: „Zum 30. 4. 2006 ist die Verbindlichkeit gegenüber Pensionskasse aus der Pension Dr. Leistner in Höhe von T€ 800 bilanziert.“ Vor ein paar Wochen ging Klaus Leistner (75) nach rund 50 Jahren im Skiverband in Pension. Ob er den Geldregen tatsächlich erhalten hat? Der ÖSV gibt keine Antwort.

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Leistners Fall charakterisiert ein Prinzip, das schon in der Lutherbibel (Matthäus 25, Vers 29, Fassung 1912) beschrieben wird: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben.“ Leistner war Topverdiener in der Führungs­etage eines Verbandes, der pro Jahr knapp vier Millionen Euro an Spitzensport- und Verbandsförderung vom Staat erhält. Die große Zahl der Trainer, Betreuer und Mitarbeiter hingegen wird mit Einjahres-Werkverträgen knapp gehalten. Mehr Privileg als der ÖSV hat nur der Fußballbund ÖFB: eine eigene Würdigung im Bundessportfördergesetz und garantiert 14 Millionen Euro pro Jahr.

Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau war der Meinung, die Macht gehe nicht nur vom Volk aus, sie werde auch vom Volk ausgeübt. Wenn die Machtausübung aber vom vorgesehenen Weg abweiche, entstünden Probleme mit Korruption. Das trifft auf das System des heimischen Sports zu. Auch aus historischen Gründen: Als die Zweite Republik eingerichtet wurde, übernahmen Verbände und Vereine die Verantwortung für die Organisation des Sports in allen Formen, Leistungsklassen und für alle Gruppen der Öffentlichkeit. Zwei parteinahe Organisationen, Sportunion (ÖVP) und ASKÖ (SPÖ), sowie der neutrale ASVÖ kümmerten sich um Hobby- und Nachwuchssportler, die Fachverbände sammelten die Ehrgeizler nach Disziplinen unter ihrem Dach.

Förderung und Netzwerke

Von Beginn an förderte der Staat – auch über den Umweg der national monopolisierten Glücksspielerlöse – die Verbände. Hier richteten sich mächtige, keiner demokratischen Kontrolle unterworfene Netzwerke ein, das Zweiparteiensystem SPÖVP pflegte sein billiges Rekrutierungsreservoir. Gut gemeinte Versuche, Macht und Geld auf Basis „objektiver Leistungs­kriterien“ zu verteilen, verpuffen bis heute nahezu wirkungslos.

Im Parlament wird die Ungerechtigkeit der Förderverteilung regelmäßig kritisiert und als „Missstand“ bezeichnet. Der Rechnungshof hat erst 2019 wieder die ­Personalunion von ­Fördergeldempfängern und Fördergeldverteilern angeprangert. Der damalige Sportminister Hans Peter Doskozil fixierte genau diesen Sportfilz im Bundessportfördergesetz 2017, die Kritik des Rechnungshofes erreicht die Betroffenen nicht. Für alle Beteiligten und Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Verschiebung der Wahl des ÖOC-Vorstandes provozierte kaum Berichte oder Kritik. Das wundert angesichts des eingebetteten Sportjournalismus in Österreich nicht.

„Der Sport“ ist laut Verfassung eine von der Politik unabhängige Sphäre sui generis und wird im Wesentlichen von den Bundesländern verwaltet. Die Folge ist ein Wildwuchs an Förderungen durch Kommunen, Länder und Bund, die weder gegengerechnet noch koordiniert werden. Jeder Provinzfürst pflegt seine Schäfchen. Kontrollmechanismen? Sportminister wie Norbert Darabos, Gerald Klug oder Doskozil (alle SPÖ) drängten sich in die Nähe von Funktionären und auf Fotos mit Sportstars.

Und dann kam ein Neuer: Gerald Martens hat sein Geld als Industriekaufmann gemacht, ist seit rund eineinhalb Jahren Präsident des Österreichischen Basketballverbandes und wollte wissen, warum beispielsweise der Volleyballverband viel mehr Fördergeld erhält. Martens finanzierte eine Studie über die Subventionspraxis und es stellte sich heraus, dass Sportverbände, die ihre Vertreter an den Geldquellen sitzen haben, viel mehr Steuermittel erhalten als andere. An der Spitze: Der ÖSV mit seinem Multifunktionär Peter Schröcksnadel und rund 3,8 Millionen Euro Bundessportförderung. Mit den von Ex-Sportminister Heinz-Christian Strache direkt an den ÖSV gespendeten Mitteln und den Förderungen für Events und Infrastruktur kam der ÖSV im Jahr 2019 auf mehr als elf Millionen ­Euro Subventionen.

Die 13 bestgeförderten Sportarten (von 59) verfügen über fast alle Funktionäre an den Förderquellen. Sie teilen mehr als 22 Millionen und mehr als die Hälfte der von der Bundes-Sportförderungsgesellschaft vergebenen 41 Millionen untereinander auf. Populäre Sportarten wie Basketball, Pferdesport, Triathlon oder Kickboxen (107.000 Mitglieder!) werden kurzgehalten.

Ein anderes Beispiel für das Selbstbewusstsein der Funktionäre war der ­quasi handstreichartige Beschluss des Österreichischen Olympischen Comités, die für 2021 geplante Neuwahl des Vorstandes um zwei Jahre auf 2023 zu verschieben. Als Begründung musste die Verschiebung der Sommerspiele 2020 in Tokio wegen der Corona-Pandemie auf 2021 herhalten. Während der ÖOC-Sitzung wurde Kritik an der mutmaßlich statutenwidrigen Entscheidung laut, doch die herrschende Gruppe um Präsident Karl Stoss setzte sich mit Zweidrittelmehrheit durch. Stoss bezeichnete Neuwahlen als „Experimente“. Als wäre demokratisches, statutenkonformes Vorgehen ein Risiko.

Der ÖOC-Coup provozierte kaum Berichterstattung und Kritik. Das wundert angesichts des eingebetteten Sportjournalismus in Österreich nicht. Der mit Sport bisher nicht in Kontakt gekommene „Steirische Herbst“ nahm in der heurigen Abschlussdiskussion einen originellen Zugang. Moderator Herwig G. Höller definierte Sportverbände als „Geheimorganisationen analog den Freimaurern“. An der Gesprächsrunde nahm unter anderen die im Ibiza-Untersuchungsausschuss als integre Korruptionsbekämpferin bekannt gewordene Neos-Parlamentsabgeordnete Stephanie Krisper teil. Die Betrachtung trifft einen heiklen Punkt. Sportfunktionäre verstecken ihre Agenda quasi in der Öffentlichkeit und rechtfertigen Cliquentum mit dem Hinweis auf die positiven Anliegen des Sports.
Fehlleistungen wie die vom ÖSV bisher verweigerte Abrechnung der mit Förderungen von rund 85 Millionen Euro bedachten Ski-WM 2013 in Schladming und die in manchen Sportarten gängige Missachtung von Arbeits- und Versicherungsvorschriften werden unter den Teppich gekehrt.

Klaus Leistner ist laut Firmenbuch noch immer Geschäftsführer der ÖSV-Firmen, die für den Verband Events organisieren und Geld auftreiben. Der nächste Förderanlass ist die für den ÖSV überlebenswichtige Alpine Ski-WM 2025 in Saalbach.

Der Autor ist freier Journalist in Wien

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