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„Hinter den Kulissen — Tauziehen“

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Sport im Dienste der Politik auf allen Ebenen — diese Vergewaltigung der olympischen Idee erlebt in München einen neuerlichen Höhepunkt. Während für die DDR auf eine Medaillenflut die Anerkennungswelle folgen soll, eskalieren die Diskriminierungsversuche führender schwarz-afrikanischer Staaten gegen Rhodesiens Rassenpolitik unbeschadet der im Vorjahr getroffenen rechtsgültigen Vereinbarungen.

Haben sich die Afrikaner solcherart zweifellos die Goldmedaille für die widersinnige Kombination von Sport und Politik gesichert, blieben jene österreichischen Politiker, die von der olympischen Flamme stafettenlaufend Glorienschein und Popularität erhaschen wollten, glücklicherweise bereits im Vorlauf auf der Strecke, nachdem sich ohnehin schon im Februar der Bundeskanzler und Unterrichtsminister im Glänze des verhinderten Olympiasiegers Karl Schranz gesonnt hatten. Frühzeitig auf der Strecke bleiben wird auch der überwiegende Teil des österreichischen Aufgebots an Sportlerinnen und Sportlern, das mit 122 Personen und einem Aufwand von dreieinhalb Millionen Schilling eine neue Rekordhöhe erreicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat sich der Abstand zwischen der Weltelite und den heimischen Athleten in den Sommersportarten weiter vergrößert, und das zahlenmäßig starke Aufgebot darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine Ausbeute von drei olympischen Medaillen bereits das Maximum darstellt, das man von unserer Mannschaft erwarten kann.

„Adabei“ sind natürlich im österreichischen Sportwesen Parteipolitik und Proporzwesen, doch ließen sich bislang etwaige Auswüchse im Keim ersticken beziehungsweise geschickt kaschieren. Unter den Sportförderungsausgaben der Bundesregierung für das Jahr 1970 stehen die Zuschüsse für die Administration der drei österreichschen Sportdachverbände mit je 100.000 Schilling für ASKÖ, österreichische Turn- und Sport-Union sowie ASVÖ friedlich und gleichberechtigt untereinander zu Papier. Das Gerangel um die Subvention vom Bund findet eine Ebene tiefer, bei den Fachverbänden sowie zwischen den einzelnen Sportklubs der verschiedenen Couleurs statt, wo eifersüchtig darüber gewacht wird, während der SPÖ-Regentschaft denen der Union-Sportler nicht davon-zusprinten.

Eifersüchtig Wache gehalten wird auch über die leider seltenen Talente bei kleineren Vereinen. Ist es in den meisten Fällen dem Sportler selbst egal, welchem Parteianhängsel sein Verein zugehört und herrscht beispielsweise bei Leichtathleten und Schwimmern unter den einzelnen Sportlern ein ausgesprochen gutes Verhältnis, läßt sich dieses von den Funktionären keinesfalls behaupten. Der kometenhafte Aufstieg des Mürzzuschlager ASKÖ-Talentes Sepp Zeilbauer zur Creme der „Könige der Leichtathleten“ war hinter den Kulissen von einem heftigen Tauziehen zwischen Abwerbern aus dem „gegnerischen“ wie auch aus dem eigenen Lager begleitet — begleitet wurde meist auch der Zehnkämpfer selbst von ehrenamtlichen Leibwächtern, die ihn vor der Konkurrenz auf außersportlichem Gebiet abschirmten.

Anders verhält es sich bei Großvereinen mit finanzkräftigen Sponsoren, wie etwa den Athleten von Raiffeisen-Energie in der Südstadt. Weniger die Tatsache, daß das „Paradepferd“ der Sportler mit dem Giebelkreuz, die schon einmal „versilberte“ Fünfkampfhoffnung Liese Prokop, als ÖVP-Abgeordnete im niederösterreischen Landtag eine außersportliche Bindung gefunden hat, sondern daß die Sportler bei den Großklubs ein Maximum an Förderung — für österreichische Verhältnisse — vorfinden, verhindert eine größere Fluktuation zwischen den

Spitzenvereinen. Daß im heimischen Sport glücklicherweise noch keine Praktiken im Sinne von Parteidoktrinen verwurzelt sind, zeigte auch die Sponsor-Ehe zwischen den Raiff-eisenkassen und dem österreichischen Fußballrekordmeister Rapid, einem der prominentesten Vereine unter dem ASKÖ-Dach.

Wenn auch in manchen Blättern der Parteipresse beider „Reichshälften“ etwa die Affäre um die Nominierung eines Säbelfechters für München zu einer Konfrontation zwischen Union und ASKÖ lizitiert wurde, darf doch generell festgestellt werden, daß in der Auswahl unserer Olympiakämpfer das Proporzdenken hintangehalten werden konnte. Daß nicht nur rein sportliche Erwägungen den Ausschlag gegeben haben und Disziplinen mit geringem öffentlichen Widerhall überproportional beschickt oder die Protektion der militärischen Fünfkämpfer durch ÖOC-Generalsekretär Dr. Edgar Fried vielerorts mit Mißfallen zur Kenntnis genommen wurde, liegt an der — am internationalen Standard gemessen — traurigen Situation der Leichtathleten und vor allem der Schwimmer, wo unsere einzigen Starter Helmut Podolan und Steffen Kriechbaum bestenfalls bis in den Zwischenlauf kommen können, während das schwache Geschlecht auf der Kunststoffbahn (Gusenbauer, Prokop, Sykora, Janko und Käfer) sowie Zehnkämpfer Zeilbauer weit mehr als eine Adabeirolle erhoffen lassen.

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