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Karl Rottenschlager: "Für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle"

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Zum 70. Geburtstag von Karl Rottenschlager.

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Zum 70. Geburtstag von Karl Rottenschlager.

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Er gehört zu den Sozialpionieren in Österreich wie zu den Vorreitern nicht nur der Gesinnung, sondern auch der Praxis der Gewaltlosigkeit: Karl "Charly" Rottenschlager, Gründer der Emmausgemeinschaft St. Pölten, wird am 2. Dezember 70 Jahre alt. Der gebürtige Steyrer studierte in Wien Theologie und ließ sich zum Sozialarbeiter ausbilden. Mit einer Gruppe der Katholischen Hochschulgemeinde begann er sich für Häftlinge in der Strafanstalt Stein einzusetzen. In Österreichs größtem Gefängnis war Rottenschlager dann als Sozialarbeiter tätig. Dabei machte ihm sehr zu schaffen, das zwei Drittel der 11.000 Haftentlassenen pro Jahr weder Arbeit noch Unterkunft hatten, die Rückfälligkeitsrate war enorm.

Mit unglaublicher Energie begann Rottenschlager, für einen menschengerechten Umgang mit diesen Menschen zu kämpfen - bei staatlichen Stellen wie dem damaligen Justizministerium unter Christian Broda ebenso wie im kirchlichen Umfeld. Nach dem Vorbild des französischen Armenpriesters Abbé Pierre etablierte Rottenschlager auch in Österreich eine Emmausgemeinschaft: ein Wohn- und Arbeitsgemeinschaft für Obdachlose, Drogensüchtige und Haftentlassene, in der gemeinsam mit den "Gästen", wie die Betreuten genannt werden, gelebt, gearbeitet und eine Perspektive entwickelt wird.

Zu Beginn war das alles andere als einfach, mehrere Anläufe, eine derartige Wohngemeinschaft zu gründen, scheiterten am Widerstand der lokalen Bevölkerung. Aber dank Rottenschlagers Zähigkeit konnte 1982 das erste Haus der Emmausgemeinschaft in St. Pölten eröffnet werden. Das Prinzip, dem sich Rottenschlager verschrieben hat, ist der "Glaube, dass es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt".

Die Emmausgemeinschaft ist offen für jede Weltanschauung und Religion. Hilfesuchende und Mitarbeiter leben und arbeiten gemeinsam, wobei auch den Gästen einiges abverlangt wird: Alkohol-und Drogenkonsum sind da ein No-Go, und von allen wird der Verzicht auf Gewalt in Wort und Tat erwartet. Heute ist Emmaus eine sozialpolitische Vorzeigeinstitution, die vier Wohnheime, Notschlafstellen, ein Tageszentrum für Obdachlose sowie Angebote für Jugendliche betreibt.

Mehr als 300 Gäste werden von 140 Angestellten, 30 Zivildienern und etwa 120 Ehrenamtlichen betreut. Vor zwei Jahren gab Karl Rottenschlager die Leitung der Emmausgemeinschaft ab. Bei seiner Pensionierungsfeier wurde er "unser Heiliger" genannt: Viele Menschen verdanken ihm tatsächlich ein neues Leben.

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