Den Bier-Boom nach Hause melden

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Immer wieder wird Taiwans Konsumgütermarkt, besonders bei den Genussmitteln, von "Booms" heimgesucht: Ganz plötzlich und unerwartet werden bestimmte ausländische Getränke oder Speisen populär, die Menschen warten in langen Schlangen vor den Kaufhäusern, die diese Produkte anbieten, der Verkauft schnellt rapide in die Höhe - und ebbt eben so plötzlich wieder ab.

Ingomar Lochschmidt, der seit 1995 die Österreichische Außenhandelsstelle in Taipeh leitet, hat mehrere dieser Booms erlebt: Nach der Whiskywelle brach 1995 der Bierboom aus. Gab es ursprünglich in Taiwan praktisch nur die heimische Biersorte zu kaufen, standen Ende 1995 mehr als 200 verschiedene Marken in den Regalen. Es folgte zwei Jahre später der Weinboom, der den Pro-Kopf-Verbrauch an Wein innerhalb eines Jahres von nahezu Null auf 1,5 Liter ansteigen ließ. Derzeit kann man in Taiwan das Abflauen des Kaffeebooms erleben.

Als Leiter der Außenhandelsstelle in Taiwan bemüht sich Lochschmidt, diese Verkaufschancen für österreichische Unternehmen nutzbar zu machen. "Verlässliche und schnelle Informationen sind alles", erklärt er. "Deshalb ist meine wichtigste Aufgabe hier, die Augen aufzuhalten. Wenn ich etwas in der Zeitung lese, ist es schon zu spät. Und Taiwan ist immerhin unser wichtigster Pro-Kopf-Markt in ganz Asien!". So konnte eine österreichische Brauerei 1995 die Hälfte ihrer Produktion nach Taiwan liefern. Zugleich warnte Lochschmidt das Unternehmen vor dem bevorstehenden Verkaufseinbruch nach Abflauen des Bierbooms. "Man muss den Markt und die Gewohnheiten hier kennen, sonst kann es zu krassen Fehleinschätzungen kommen." Eine deutsche Brauerei etwa sprang viel zu spät mit gewaltigen Investitionen und Werbekampagnen auf, als der Boom bereits seinen Zenit überschritten hatte. Das Unternehmen trug kräftige Blessuren davon.

Österreichs Außenhandelsstelle hat nicht nur die Exportförderung im Auge, sondern ist auch Ansprechpartner für Unternehmen, die aus Taiwan Waren importieren möchten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern wird die Vertretung der Wirtschaft in Österreich nicht vom Staat wahrgenommen. Die Außenhandelsstellen unterstehen der Wirtschaftskammer und nicht dem Außen- oder Wirtschaftsministerium. Sechs Mitarbeiter zählt das Büro im 6. Stock eines Hochhauses Bankenviertel von Taiwans Hauptstadt Taipeh. Hinzu kommen zwei Beamte des Außenministeriums, die einige Straßen weiter in einem eigenen Büro sitzen, der "Reiseabteilung" der Außenhandelsstelle. Sie sind zuständig für die Visa- und Passangelegenheiten.

Österreich hat in Taiwan keine Botschaft. Das liegt daran, dass Österreich diplomatische Beziehungen zu Peking unterhält und deswegen Taiwan nichts als unabhängigen Staat anerkennt. Weil es keine offizielle Vertretung Österreichs in Taiwan gibt, übernimmt die Außenhandelsstelle auch die Aufgaben und Funktionen eines Konsulates. Die Visa der meisten europäischen Staaten, die von den Büros in Taipeh ausgegeben werden, tragen übrigens den Stempel "Botschaft Manila".

Der Autor ist freier Journalist in Taiwan.

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