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Österreichs Präsenz in Taiwan

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Die diplomatischen Beziehungen Wiens zu Peking haben Österreich nicht gehindert, auch engere wirtschaftliche, kultu- IM relle sowie menschliche Beziehungen zu Nationalchina in For- WT mosa zur gleichen Zeit aufzunehmen, aufrechtzuerhalten und zu fn entfalten.

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Die diplomatischen Beziehungen Wiens zu Peking haben Österreich nicht gehindert, auch engere wirtschaftliche, kultu- IM relle sowie menschliche Beziehungen zu Nationalchina in For- WT mosa zur gleichen Zeit aufzunehmen, aufrechtzuerhalten und zu fn entfalten.

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Am 2. November 1971 wurde die „China Steel Corporation”, ein österreichisch-nationalchinesisches gemeinsames Stahlprojekt, in Taipeh gegründet. Die vierköpfige Delegation aus der Alpen-Donau-Repu-Dlik unter dem VÖESt.-Chei Johann Gruenn hat damit nicht nur der niedlichen Wirtschaft Österreichs und Formosas einen Dienst erwiesen, sondern auch die immerwährende Neutralität unseres Landes einigermaßen demonstriert. Dies ist nun besonders von Bedeutung, da ein Österreicher an der Spitze der Weltorganisation und vor einer Reihe schwerer Prüfungen steht.

Das Gesamtkapital der neuen Stahlgesellschaft beträgt 322 Millionen US-Dollar. Das registrierte Kapital beträgt 80 Millionen US-Dollar, davon werden 80 Prozent (64 Millionen US-Dollar) von den staatlichen und privaten Seiten Taiwans und 20 Prozent (16 Millionen US-Dollar) von der VÖESt. investiert. Die Fabrik wird beim zweiten Hafen in Kaohsiung, der größten Industriestadt im Süden der subtropischen Insel, mit einer Fläche von 450 Hektar, errichtet. 1976 wird sie die Produktion aufnehmen; sie wird jährlich schätzungsweise 1,1 Millionen Tonnen halbfertige Stahlprodukte und Roheisen produzieren. Die VÖESt. ist auch für die technischen Fragen und den Bau der Fabrikanlagen verantwortlich.

Abgesehen von dieser sogenannten

„Entwicklungshilfe” sieht die österreichische Präsenz im Norden der schönen Ilha Formosa etwas anders aus: Im Kreis (Hsien) Taoyuari (wörtlich übersetzt heißt der Ort ganz romantisch „Pfirsichgarten”), 30 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Taipeh entfernt, blühen die Blumen des Kulturaustausches großartig, ohne Politikum.

Während man von Hongkong bis New York manchmal die Briefe nach Wien noch mit „Vienna, Australia” beschriftet hat, ist der Name „Audili” oder „Auguo” (chinesische Übersetzung für Austria) in Taiwan gar kein sehr fremdartiger Begriff; denn zum Beispiel im Restaurant „Hsün-hsün” in Taitschung, der größten Stadl Mitteltaiwans, steht auf der Tafel vor dem Eingang eine große Ankündigung: Heute gibt es ausgezeichnete frische „Auguo Liyü” (Donaukarpfen aus Österreich).

Diese Karpfen haben sich in den 184 Fischteichen — Gesamtfläche 860 Hektar — in Tschungli im Kreis Taoyuan derart vermehrt, nachdem Dr. Schobern Jü, damals nationalchinesischer Botschafter zur Wiener Atombehörde, im Juni 1969 2000 Setzlinge aus Wien hergeflogen hat, so daß sie nun viel fetter, größer, schmackhafter und auch billiger sind als in ihrem Ursprungsland. Wie die Restaurantkette mit dem Namen „Hsün-hsün”, was „fröhlich” bedeutet, gehört auch diese Binnenwasserfischerei der Veteranenorganisation

(Vocational Assistance Commission for Retired Servicemen).

Die teilweise mit österreichischem Kapital arbeitende Unterwäschefirma „Triumph” hat in Taoyuan eine Fabrik, deren Produkte in Taiwan unter der chinesischen Bezeichnung „Tai-an-fen” zu einem Begriff wurden. In der katholischen Universität Fu-jen, ebenfalls in Taoyuan-Hsien, unter der Leitung von Kardinal Paul Yupin, die von der deutsch-österreichischen Steyler-Mission und den österreichischen Katholiken finanziell unterstützt wird, sind auch einige österreichische Geistliche tätig. Die taiwanesischen Studenten, besonders jene der Musik- und Kunstfächer, wissen bereits ziemlich gut über Wien und Salzburg Bescheid, bevor sie den Boden von Schwechat betreten.

Weder die wirtschaftlichen noch kulturellen Kontakte sollen einseitig sein, so haben seit dem Jahreswechsel mehrere Besucher aus Taiwan ihre Station in Wien aufgeschlagen. Ein junger formosanischer Maler namens Lin Tien-shih stellte vom 13. Dezember 1971 bis 20. Jänner 1972 seine chinesische Malerei aus — in der Galerie Tao, in der Mahlerstraße, Wien, Es war ein Erfolg.

Im Dorf Kuolingtsun bei Tschungli im Kreis „Pfirsichgarten” wurde Ende Dezember 1971 ein SOS-Kinderdorf gegründet, das nun mit dem Namen „Internationales Kinderdorf Taiwans” benannt wurde und vorläufig zirka 33.000 Quadratmeter, sechs Gebäude und 50 Waisenkinder umfaßt. Das ganze Projekt wurde von der österreichischen SOS-Kinderdorforganisation in der Hinterbrühl, Niederösterreich, unterstützt und verwirklicht. Später kann das Dorf zirka 150 Kinder aufnehmen. Ein zweites und drittes Dorf soll noch errichtet werden.

Wien schickte auch die Wiener Sängerknaben zur Vorführung nach Formosa. Das ist der sechste Besuch der kleinen „österreichischen Marineinfanteristen” auf der Insel. Diesmal weilten die 27 Friedensbotschafter aus Wien vom 17. bis 22. März in Taiwan. Danach besuchten sie Riukiu und die Philippinen; am 9. Juni werden sie nach Taipeh zurückkehren und das Land dann am 13. Juni 1972 verlassen, mit dem Österreich keine diplomatischen Beziehungen unterhält.

Die „musikalische Diplomatie” Österreichs in Taiwan wurde fortgesetzt durch die Vorführung des Staatsopernsängers Christian Boß am 24. April, wo er im Kulturzentrum der nationalchinesischen Streitkräfte in Taipeh Mozart, Schubert und Schumann sang.

Nationalchina sandte auch mehrmals seine Wirtschaftsleute nach Wien, um hier ein neues Zentrum der Außenhandelsaktivität Taiwans aufzubauen. So kam Walter H. Fei, der stellvertretende Leiter des CIECD (Council for International Economic Cooperation and Development) von Taiwan, Anfang des Jahres nach Wien. Von hier aus besuchte er auch Budapest und einige osteuropäische Staaten.

Eine gemischte österreichisch-nationalchinesische Handelsgesellschaft „Cathay Trading Company” in Wien wurde bereits Mitte März dieses Jahres geplant, um den Handel mit den „Nachbarländern Österreichs” zu forcieren. Im Zuge solcher wirtschaftspolitischer und finanzieller Aktivitäten kamen Yu Kuo-hua, Präsident der nationalchinesischen Centrai-Bank, und sein Stellvertreter, Sun I-shuan, nach Wien, um einerseits an der Weltbankkonferenz teilzunehmen, anderseits die Entfaltungsmöglichkeit zu erforschen.

Die Investition der österreichischen verstaatlichten Unternehmung VÖESt. in Taiwan zeigt einerseits die Zuversicht der österreichischen Wirtschaftsleute auf die künftige Stabilität der Insel („Zumindest noch zehn Jahre”, so ein nationalchinesischer Diplomat), anderseits sind die Worte Hermann Gmeiners, daß nicht die Organisation, sondern das Vertrauen und die Liebe die wichtigsten Dinge sind, wahrhaftig, was der österreichische Außenminister Dr. Kirchschläger in seinem Vortrag „österreichische Fernostpolitik” im Palais Palffy, organisiert durch das österreichische Chinaforschungsinstitut, am 29. März dieses Jahres ebenfalls bekräftigte („Österreich hat auch gute wirtschaftliche Beziehungen zu Taiwan ...”).

Wie nun Dr. Waldheim mit der Affäre des Ausschlusses der beiden nationalchinesischen Journalisten der „Central News Agency”, Tang Teh-tschen und Lin Tschen-tschi aus der UNO durch die Pekinger Intervention in der Periode U Thants fertig wird, ist noch nicht bekannt. Eine chinesische Redewendung bezeichnet die absolvierten Schüler der guten Erziehung mit „eine Welt voller Pfirsiche und Pflaumen”. Werden österreichische Früchte auch in diesem „Pfirsichgarten” zur Reife kommen?

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