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Handreichung nach Taipeh

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Als „Täuschungsmanöver" hat Taipeh den jüngsten Vorstoß Pekings zur Uberwindung der chinesischen Spaltung schroff zurückgewiesen und seinen über drei Jahrzehnte alten Alleinvertretungsanspruch für ganz China bekräftigt. Das kommunistische Gesprächsangebot wurde mit geringschätzigem Zynismus abgetan, die Zusage einer weitestgehenden Autonomie für Taiwan als nicht glaubwürdig bezeichnet.

Für die Pekinger Führung scheint die Wiedervereinigung der Insel mit dem Festland, wenngleich zu einer der „drei Hauptaufgaben" der achtziger Jahre

(neben der „Eindämmung des Hegemonismus", d. h. der Sowjetunion, und der Modernisierung des Landes) deklariert, ein Ziel in weiter Ferne zu sein. Mit der neuen Annäherungstaktik will man sich offenkundig weniger an die Regierenden in Taipeh als an Washington wenden.

Ohne auch nur im geringsten mit einer positiven Reaktion auf ihr Bemühen zu rechnen, hat die Regierung in Peking den 70. Jahrestag des Ausbruchs der Revolution gegen die Mandschudynastie (der „Doppelzehnte", 10. Oktober, ist der wichtigste nationalchinesische Feiertag) zum Anlaß genommen, der Führung Taiwans die Aufnahme von direkten Verhandlungen über eine friedliche Wiedervereinigung vorzuschlagen.

Das propagandistisch mit seltener Intensität unterbreitete Angebot — verknüpft mit einer offiziellen Einladung an Taiwans Staatschef Tschiang Tsching-kuo zu einem Besuch auf dem Festland — stellt den Machthabern in Taipeh auf den ersten Blick überraschend großzügige Zugeständnisse in Aussicht.

Das vom Staatsoberhaupt der Volksrepublik, dem 83 Jahre alten Marschall Ye Jianying, skizzierte Neun-Punkte-Programm räumt der Insel einen Sonderstatus im internationalen Bereich ein. Als „besondere Verwaltungsregion mit einem hohen Maß an Autonomie" könne Taiwan nach der Wiedervereinigung sein Wirtschaftsund Gesellschaftssystem und sogar seine eigenen Streitkräfte behalten.

Der Umstand, daß diese erstmals angekündigte Konzession gerade vom bedeutendsten noch lebenden kommunistischen Feldherrn Chinas formuliert wurde, läßt die Schlußfolgerung zu, man sei bestrebt, möglichen Widerständen aus den Reihen der eigenen, durchaus nicht homogenen Streitkräfte zuvorzukommen.

Modell für Hongkong?

Die Zentralregierung werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten Taiwans einmischen, heißt es ausdrücklich in der Erklärung. Die Insel könne ihre wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zum Ausland aufrechterhalten.

Dieser Status einer wirtschaftlichen und auch staatsrechtlichen „Sonderzone", der um vieles über den der Autonomen Regionen wie Tibet hinausgehen würde, soll, so vermutete die Hongkonger Presse in ihren Kommentaren zu dem Ye-Vorschlag, eines Tages wohl auch der britischen Kronkolonie zufallen, deren Funktion als De-visenbrihger, Absatzmarkt und Kontaktpunkt für Verbindungen mit der Außenwelt es zu erhalten gilt.

Um ihnen das Angebot noch schmackhafter zu machen, ver-_ sprach Ye den Führern Taiwans hohe Amter in gesamtnationalen politischen Organen und eine Beteiligung an der „Leitung des Staates".

Da in Peking alle Entscheidungsvorgänge ausnahmslos in den KP-Gremien bestimmt werden, würden diese Ehrenposten im Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses und in der Regierung freilich nur ein sehr beschränktes Mitspracherecht bedeuten.

Niemand anders als Ye wäre berufener gewesen, an die beiden Phasen der Zusammenarbeit zwischen der Partei des Gründervaters der Republik, Dr. Sun Yat-sen, und den Kommunisten zu erinnern:

In der Zeit der ersten Einheitsfront (1923-1927), als Sun die Guo-mindang mit Hilfe sowjetischer Berater (Borodin) nach dem Vorbild einer leninistischen Kaderpartei organisierte und für die Kommunisten die Poppelmitgliedschaft zuließ, wirkte Ye zusammen mit Zhou Enlai als Ausbilder an der berühmten Militärakademie von Whampoa, deren Kommandant Tschiang Kai-schek war.

Der nach dem Tode Sun Yat-sens durch das gewaltsame Vorgehen Tschiang Kai-scheks gegen die Kommunisten ausgelöste Bürgerkrieg endete erst 1937 mit der Bildung einer neuen Einheitsfront gegen den japanischen Aggressor. Vor dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges nach der japanischen Kapitulation war es Ye, der Mao Zedong 1945 bei den

Signal an Washington

vergeblichen Verhandlungen mit der Guomindang assistierte.

Sein nunmehriges Wiedervereinigungsangebot, das das beiderseitige Bekenntnis zur fortdauernden Einheit der gesamten chinesischen Nation in den Vordergrund stellt und absichtlich breiten Raum für Gegenvorschläge läßt, wurde von Appellen an das Gefühl begleitet. So rief KP-Vorsitzender Hu Yaobang den Guo-mindang-Chef auf, die sterblichen Uberreste seines Vaters Tschiang Kai-schek in dessen Heimatprovinz zu bestatten.

Taipeh pochte daraufhin auf die Unvereinbarkeit der weltanschaulichen Leitideen und der politischen und wirtschaftlichen Methoden. Peking war sich nach den Worten seines tonangebenden Politikers Deng Xiaoping von Anfang an darüber im klaren, daß auch die neuen Bedingungen Taipeh nicht zur Abkehr von seiner bisherigen Politik bringen würden. I

Innenpolitisch wird damit denjenigen der Wind aus den Segeln, genommen, die den Vorwurf erheben, die Verständigung mit Washington gehe auf Kosten der Wiedervereinigung. Den USA, deren Beziehungen zu Taiwan sich trotz der Normalisierung mit Peking nicht grundlegend geändert haben, wird die Möglichkeit eines Kompromisses und einer militärischen Zusammenarbeit mit Taiwan auch nach einer Wiedervereinigung signalisiert.

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