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Die drei Revolten Formosas

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Die heutigen Formosaner stammen blutmäßig zwar aus China, haben sich jedoch durch die jahrhunderte-

lange Trennung vom Festland . sowohl von den „Rotchinesen“ Mao • Tse-tungs wie auch den „Weißchine- ' sen“ Tschiang Kai-scheks — deutlich : unterschieden. Sie sind deshalb die

Hauptträger der Unabhängigkeits- bewegung Formosas von heute.

Die moderne Geschichte Formosas in den vergangenen 400 Jahren ist ein trauriges Register der ausländischen Kolonialherrschaft durch Spanier, Holländer, Koxinga, Mandschus, Japaner und Weißchinesen. Aber die Formosaner sind auch ein Volk, das die fremde Untendrük- kung unaufhörlich mit Gewalt zu stürzen und sich vom kolonialen Joch zu befreien versucht hat. 1895, als die Mandsehu-Dynastie Chinas Formosa den Japanern während des Friedens von Shimonoseki ausliefern wollte, erklärten die Formosaner ihre Unabhängigkeit und gründeten eine „Demokratische Republik Formosa“, die als die erste Republik Asiens galt. Teng Keng-siong wurde zum Staatspräsidenten gewählt. Nach heftigem Widerstand mußte das erste Unabhängigkeitsstreben jedoch der Übermacht der japanischen Expeditionsarmee unterliegen. Formosa geriet für 50 Jahre unter die Tokioter Herrschaft. Einerseits hat Japan die Formosaner geistig noch mehr von China unabhängig geformt, anderseits aber haben die Formosaner ihre Freiheitskämpfe nicht aufgegeben. Eine der stärksten Unabhängigkeitsorganisationen war die Tai-Kiong (KP Formosas) unter Frau Tschia Si-ang.

1945: Zweiter Streich

1945 wurde Formosa von den Alliierten ohne eine Volksabstimmung der Formosaner an China übergeben, so entstand die zweite Unabhängigkeitsbemühung. Wegen der Unfähigkeit, Korruption und Brutalität des nationalchinesischen Gouverneurs auf Formosa erhoben sich die Formosaner am 28. Februar 1946 gegen die Kuomintang-Herrschaft. Ein „Revolutionskomitee“ sowie eine Freiwilligenarmee wurden in aller Eile organisiert. Doch diese Erhebung wurde ebenfalls unterworfen. Die Nankinger Regierung richtete ein Blutbad an, wobei mehr als 20.000 Formosaner erschossen wurden. 1949 flüchtete Tschia Si-ang über Hongkong nach Peking und gründete dort einen „Demokratischen Autonombund Formosas“.

Tschiang Kali-sctoe!:, dier sich nach Formosa abgesetzt hatte, führte daraufhin eine „Bodenreform“ auf der Insel durch, um den Widerstand der Formosaner zu brechen; da die Widerstandskämpfer zumeist aus den Kreisen der Grundbesitzer und Intellektuellen gekommen waren. Thomas Liao Bun-yik, der Führer der gemäßigten Richtung, versuchte vergeblich, eine friedliche Transformation unter Tschiang Kai-schek zu erreichen.

Exilbewegungen in Japan

Er ging dann nach Japan und gründete 1956 in Tokio eine provisorische Regierung der Republik Formosa, er wurde Staatspräsident der Exilregierung. Gleichzeitig formierten aber die radikalen formo- sanischen Intellektuellen ebenfalls in Japan ihre eigene Organisation mit der Bezeichnung „Taiwan Chenglian Toklip Lianbeng“ (Bund für Unabhängigkeit der Formosanischen Jugend). Wegen der Meinungsverschiedenheit zerfiel die Schattenregierung Lianos bald. The Ban-hok und Ngo Tschin-nam verließen ihn und organisierten selbst jeweils eine „Partei der Volkspolitik Formosas“ und eine „Unabhängigkeitsunion Formosas“. Auf dem chinesischen Festland wurde jener „Demokratische Autonombund Formosas“ 1958 von Mao Tse-tung aufgelöst; da der linke Flügel der Formosaner gleichfalls für ein unabhängiges Formosa eintrat. Tschia Si-ang und ihre „Komplizen“ wie Tschen Tsčhang- tai usw. wurden verhaftet und hingerichtet.

Das revoltierende Heer

Bei der Unterdrückung der Formosaner arbeiteten Mao Tse-tung und Tschiang Kai-schek recht gut zusammen. Die nationalchinesischen Streitkräfte zählen nun zwar 600.000 Mann, aber die meisten der Soldaten und Unteroffiziere sind Formosaner. Für Tschiang Kai-schek sind sie unzuverlässig. Bisher spielten sie zwar nur die „schweigenden Feinde“, aber sie verstehen auch mit Waffen zu sprechen. So starteten 1961 und 1963 formosanische Soldaten und Offiziere Militärputsche gegen Tschiang Kai-schek. Wegen teilweiser Unerfahrenheit erlitten die Putschisten auch Niederlagen. Das ist einer der Gründe, warum die „Zurückeroberung des Festlandes“, die der Generalissimus fast 20 Jahre lang propagiert hat, immer nur ein ungedeckter Scheck bleibt. Auch die „Befreiung Formosas“ durch Peking bleibt ein bloßes Schlagwort. Dem Gerücht nach sollen Peking und Tschiang Kai-schek schon lange ein

Geheimabkommen abgeschlossen haben, um die Unabhängigkeit Formosas gemeinsam zu verhindern.

Seit 1964 zeigt die Bewegung ein neues Gesicht. Sie wird nicht mehr wie bisher von außen her „importiert“, sondern wächst selbst von innen beziehungsweise auf Formosa. Im April 1964 publizierten Pen Beng-bin, ein Professor der Taiwan- Universität, und seine zwei Mitarbeiter die „Proklamation der Unabhängigkeit Formosas“, die die Liquidierung des „diktatorischen Exilregimes der Flüchtlingsbande Tschiang Kai-scheks“ und die Errichtung einer demokratischen Republik Formosa verlangte. Sie wurden verhaftet. Doch unter dem Eindruck der explosiven Atmosphäre mußte die

Kuomintang-Regierung sie bald wieder auf freien Fuß setzen.

Kapitulation — Auftrieb

1965 kapitulierten Liao Bun-yik, The Ban-hok und Ngo Tschin-nam vor dem Regime Tschiang Kai- scheks und gingen nach Formosa zurück. Aber diese Kapitulation der paar Leute bedeutet nicht, daß die Bewegung nun zu Ende gegangen ist. Im Gegenteil, weil diese drei Führer unter den Formosanem in Ubersee keine Anhänger haben — man wirft ihnen vor, sie seien „reaktionär“ —, bekommt nun jener „Taiwan Chenglian Toklip Lianbeng“ mehr und mehr Anhänger. Die Kapitulation jener drei opportunistischen Männer stellt eigentlich eine Stimulation für die formosanischen Intellektuellen und Studenten im Ausland dar. Seine Aktivität wird stärker und die Zahl seiner Kameraden nimmt ständig zu.

Drei neue Zentren

Die Unabhängigkeitsbewegung der Formosaner hat jetzt drei Zentren: Japan, USA und Westeuropa, die mit einander eng verbunden und praktisch drei Zweigstellen einer Dachorganisation sind.

Die Organisation in Japan ist der : bereits erwähnte „Bund für Unab- ! hängigkeit der Formosanischen : Jugend“ (United Young Formosans for Independence), der vier Zeit- ] Schriften herausgibt: „Taiwan ;

Chenglian“ (Jugend Formosas; For- ] mosanisch), „Independent Formosa“ i (Englisch), „Toklip Taiwan“ (Unab- ; hängiges Formosa. Chinesisch) und 1 „Taiwan“ (Japanisch).

Die Organisation in den USA heißt „United Formosans in America for 1

Independence“ (UFA!), die eine Zeitschrift „Formosa gram“ im Englischen herausgibt.

Die dritte heißt „Aujiu Taiwan Toklip Lianbeng“ (Bund für Unabhängigkeit Formosas in Europa, UFIE), dessen Hauptquartier in Genf war und 1966 nach Paris verlegt wurde. Außer diesen drei „Jugendverbänden“ gibt es in Tokio noch eine Organisation der taiwanesischen Kaufleute, die sich „Regierung der Republik Formosa“ bezeichnet. Kok Tai-seng fungiert als „Staatspräsident“. Sie publiziert zwar auch eine Zeitschrift im Japanischen „Taiwan Koron“ (öffentliche Meinung Formosas), aber sie hat unter den Formo- sanern im Ausland keinen Einfluß und ist daher bedeutungslos.

Dagegen sind die drei Bünde in Tokio, Philadelphia und Paris viel aktiver und auch für Tschiang Kai- schek viel gefährlicher, weil sie nicht nur die meisten formosanischen Studenten in Übersee beeinflussen — viel von den letzteren sind entweder Geheimmitglieder oder sympathisiert mit der Bewegung —, sondern bereits in Formosa eindringen. Die Flagge des Bundes erschien mehrmals in Taipeh und bereitete dem Regime ernste Sorgen.

Und die Nachfolge?

Der Generalissimus ist nun ein Greis, nach seinem Ableben wird Tschiang Tsching-kuo, sein in Moskau trainierter und mit einer Russin verheirateter Sohn, der Nachfolger sein. Ob dieser Wunschtraum, die Tschiang-Dynastie aufrechtzuerhalten oder Formosa von Tchiang II an Peking zu übergeben, Wirklichkeit werden kann, bleibt natürlich eine große Frage. Denn nach dem absehbaren Tod Tschiang Kai-scheks wird sich sicher eine Revolution oder ein Militärputsch der Formosaner ereignen. Das wird die dritte Unab- hänaiekeitsrevolte sein.

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