Die Narrenfreiheit des Poeten

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Poesie als Verkündigung, leise Prosa als 'Sprache, die umarmt": Mit seinem neuen Buch 'Wie die Worte das Fliegen lernten" beschenkt Joop Roeland sich und seine (Leser-)Gemeinde.

Das Kaffeehaus Angst & Bang, wo die Schreckensworte auf die Welt kommen und ganze Zeitungen damit ausfüllen ...

Solchen Satz in einer - katholischen - Predigt zu hören, ist hierzulande immer noch ungewöhnlich. Wer in einem Gottesdienst 'Worte zur Schrift", wie er seine Predigten nennt, von Joop Roeland je genossen hat, kann verstehen, wie für den niederländischen Priester in Wien Poesie zur Verkündigung wird und das gedichtete Wort die Sprache der Dogmen, die kirchliche Rechts-Sprache, bei weitem übertrumpft: Seit fast 20 Jahren legt Joop Roeland in der Wiener Ruprechtskirche die Schrift allwöchentlich in solcher 'Sprache der Dichter" aus.

Vor kurzem hat der ehemalige Hochschul-und Akademikerseelsorger seinen 75. Geburtstag gefeiert: Das runde Ereignis rundet er nun mit einem Geschenk für sich und seine (Leser-)Gemeinde ab: 'Wie die Worte das Fliegen lernten" heißt das neue Buch mit Texten von Joop Roeland, Poesie und Prosa, Tiefgründiges und Leichtes (aber nicht zu sehr) - und all das in mehr als eine Portion trockenen Humor verpackt, welcher nach Wien, in diese Weltstadt der Larmoyanz, kongenial passt.

Narrative Theologie hat man das genannt, was Joop Roeland tut. Ein Schuss Biografie, ein wenig Alltagserlebnis, die Prise eines biblischen Gedankens: all das ergibt eine Miniatur - gepredigt oder eben nachzulesen im Buch. Und man erfährt so, was eine vroedvrouw, eine weise Frau (so die wörtliche Übersetzung des niederländischen Wortes für Hebamme), mit einer Geburtshelferkröte zu tun hat - und das wiederum mit einem christlichen Hochfest: Nicht spektakulär, aber leise, ähnlich wie das nebenstehende Gedicht endet auch obige Geschichte mit dem Satz: Mir ist, als ob bald Pfingsten kommt.

Oder an anderer Stelle im Buch ein Wort, das kaum gebraucht wird: die Habseligkeit. Auch darüber eine Miniatur, die vom Engel des Sammelns und jenem des Austeilens handelt und dazu eine Adventvision der anderen Art anbietet. Später die Meditation über den Ablass, ein Wort, über das die Kirche, so Roeland, hin und wieder, etwa in einem Heiligen Jahr spricht, im Jahr darauf das aber wieder vergisst. Doch dann ist Frühling. Alles blüht. Lauter Sorglosigkeit, Blütenstaub und Überfluss. Der Winter und seine Kargheit sind vorbei. Ein voller, unverdienter Ablass für jeden.

Solch verschmitzte Zugänge finden sich auch im neuen Joop-Roeland-Buch zuhauf. Nichts für theologische Erbsenzähler, ja sogar immer wieder gegen sie: In der Miniatur mit dem Titel Ablass heißt es in Bezug auf 'Ablassberechnungen": Mag sein, dass Gott selbst diese kleinlichen Rechnereien nicht so genau verstehen will.

Solche Narrenfreiheit nimmt sich der Poet heraus, und deswegen sind Poesie und kleine Prosa von Joop Roeland so wertvoll: Kleine Worte, die mit der geschundenen Sprache Hoffnung machen. Eine Rede gegen die Schreckensworte aus dem Kaffeehaus Angst & Bang. Verkündigung kann leise sein. Das Gegenteil von Holzhammermethode. Einfache Wörter, gewendet zu einem glücklichen Geschick.

Oder - in der Sprache von Joop Roeland selbst:

Die dritte Wolke von links, wo Engel eine Jakobsleiter bauen. Engelsworte klingen hier wie ein Lied, das noch nicht angefangen hat, dich aber jetzt schon zum Weinen berührt.

WIE DIE WORTE DAS FLIEGEN LERNTEN

Von Joop Roeland. Otto Müller Verlag, Salzburg 2006. 100 Seiten, geb. e 17,-

TIPP: Buchpräsentation von 'Wie die Worte das Fliegen lernten", Freitag, 5. Mai, 19 Uhr, Buchhandlung Herder, 1010 Wien, Wollzeile 33

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