Eindeutigkeit um jeden Preis. Ein Aberglaube

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Die Lehre der Kirche sei klar und eindeutig, hört man von vielen Seiten, in diesen Tagen wieder einmal besonders laut. Aber was, wenn die Lage nicht so eindeutig ist? Was, wenn die Praxis der Kirche nicht so eindeutig ist?

Leben sei zu schützen, und zwar vom Beginn des Lebens an. Wer sagt denn eigentlich etwas anderes? Niemand, der sich in dieser Sache zu Wort gemeldet hat.

Nur einige, viele sagen noch etwas dazu. Daß es nämlich Konfliktlagen gibt, die weder durch ein klares Bischofswort noch durch einen Paragraphen gelöst werden können. Oder halten sich da einige für Gott selbst? Gott jedenfalls, lesen wir in der Bibel, pflegt nicht alle Konfliktlagen ex macchina zu lösen.

Und: warum ist das Geschrei so besonders laut um das vorgeburtliche Leben? Wo bleibt das Schreien gegen die Lizenzierung von Krieg als ultima ratio? Und die Todesstrafe steht noch immer im Katechismus. Weil es "unschuldiges" Leben ist? Werden da etwa schon im Prinzip Todesurteile über die notwendigerweise schuldigen Menschen ausgesprochen? Die werden in den USA ja schon gegen Ärzte exekutiert, die Abtreibungen vornehmen.

Wenn das Leben nur so einfach wäre, damit die einfache und klare Lehre dazu paßt! Es kann ja sein, daß das Leben vieler hinreichend einfach ist. Wem gleichsam auf Anhieb ein Familienidyll gelingt, wer durch Mauern von allen möglichen Anfechtungen geschützt ist, für den kann sie ja passen. Aber was, wenn die Würfeln nicht so fallen?

Es hat einmal einen Film gegeben, in dem findet der beratende Arzt auf dem Dachboden einen alten Kinderwagen und rettet so dem werdenden Kind das Leben. Wenn die Probleme immer so zu bewältigen wären!

Nochmals zurück zur Bibel, die wirklich ganz und nicht in Katechismuskürze gelesen werden sollte: einfache Situationen finden sich hier selten. Und die "Normalität" des Menschen ist die des Sünders, der es nicht geschafft hat, den klaren, vorgezeichneten Weg zu gehen. Und Gott reagiert darauf mit Erbarmen.

Wenn die Predigt die der problemblinden Vereinfachung ist, ist sie nicht die Predigt des Evangeliums.

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