Theologischer Fanfarenstoß

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Als Berater des Kölner Kardinal Frings prägte der junge Joseph Ratzinger den konziliaren Reformgeist entscheidend mit.

Mit Benedikt XVI. sitzt ein Mann auf dem Stuhl Petri, der als Theologe aktiv am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen hat. Damals war der junge Josef Ratzinger Professor in Bonn. Selbst hätte er also keinen Einfluss auf die große Reformversammlung der römischen Kirche ausüben können, denn nur Bischöfe konnten eigene Vorschläge einbringen und waren stimmberechtigt. Dennoch wird man annehmen können, dass der heutige Papst zu den prägenden Theologen des Konzils gehörte. Diese Stellung verdankte Ratzinger dem damaligen Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings, der den damals 35 Jahre alten Professor als Berater mit nach Rom nahm.

Frings & König

Für den jungen Ratzinger war das Konzil eine große Chance und eine einmalige Erfahrung von Weltkirche. Der Oberbayer konnte mit einem rheinischen Kirchenfürsten an der Bischofsversammlung teilnehmen, der zu den großen Gestalten des damaligen Weltepiskopates gehörte. Frings leitete die Fuldaer Bischofskonferenz und übernahm als solcher auch eine führende Rolle unter den deutschsprachigen Konzilsvätern. Auf Einladung des Kölner Oberhirten trafen sie sich während des Konzils jeden Montag um 17 Uhr im deutschen Priesterkolleg S. Maria dell' Anima in Rom. Zu den deutschen Bischöfen gesellten sich noch jene aus Österreich und anderen deutschsprachigen Ländern. Im Vorsitz wechselte sich Frings mit dem Wiener Erzbischof Franz Kardinal König ab.

"Es kann kaum überschätzt werden, welche Bedeutung diese Montagszusammenkünfte der deutschsprachigen Bischöfe auf den Konzilsverlauf und seine Ergebnisse hatten", berichtet Norbert Trippen, der jüngst eine umfangreiche Biografie zu Frings vorgelegt hat. Die Gruppe der deutschsprachigen Bischöfe, so der Kölner Professor und Prälat, sei zwar zahlenmäßig klein, aber theologisch und kirchenpolitisch sehr stark gewesen. "Je nach den Verhandlungsthemen in der Aula lud Frings qualifizierte Theologen (z. B. Ratzinger) zu einem Statement ein, an das sich Aussprache und Absprache der Bischöfe für ihr Verhalten in der Konzilsaula anschlossen", schreibt Trippen.

"Erheblicher Eindruck"

Bereits vor dem Konzil waren sich der alte Erzbischof - Frings war 1887 in Neuss geboren und 1942 zu Kölner Erzbischof ernannt worden - und der junge Theologe begegnet. Im Vorfeld der Bischofsversammlung hielt Frings 1961 eine viel beachtete Rede in Genua. Dabei verglich Frings den historischen Kontext zwischen Erstem und Zweitem Vatikanischen Konzil. Die Rede wurde zum theologischen Programm für das gesamte Konzil, zu einem theologischen Fanfarenstoß. Frings erinnerte sich: "In einem GürzenichKonzert traf ich Professor Joseph Ratzinger, der kurz vorher als Fundamentaltheologe nach Bonn gekommen war und der sich bereits eines großen und guten Rufes erfreute. Ich bat ihn, ob er mir bei der Bearbeitung dieses Themas behilflich sein wollte, und auch ihn schien diese Themenstellung zu reizen."

Ratzinger habe ihm bald einen Entwurf geliefert, den er so gut gefunden habe, dass er nur an einer Stelle eine "Retuschierung" vorgenommen habe. Frings zur Wirkung der Rede: "Sie machte erheblichen Eindruck." Weiter: "Als ich den Vortrag Kardinal Döpfner von München zeigte, sagte er: Tja, ein historisches Dokument', er wollte damit sagen: das sind schöne Zukunftsträume, aber davon wird kaum etwas in Erfüllung gehen."

Dank von Johannes XXIII.

Doch es kam anders. Der Frings/ Ratzinger-Reformentwurf fand allerhöchste Beachtung. Unerwartet wurde der Kölner Erzbischof bald darauf zur Privataudienz beim Heiligen Vater bestellt. Frings: "Als ich in das Audienzzimmer des Papstes kam, eilte er mir gleich entgegen, umarmte mich und sagte: Ich habe diese Nacht Ihren Vortrag von Genua gelesen und wollte Ihnen meinen Dank sagen.'" Sein Sekretär, Hubert Luthe, der bei der Audienz anwesend war, ergänzte später, dass Frings Johannes XXIII. darauf hingewiesen habe, dass der Vortrag nicht von ihm, sondern von Joseph Ratzinger stamme. Der Papst habe geantwortet, auch er müsse sich Texte erarbeiten lassen, es komme eben darauf an, die richtigen Berater zu finden.

Von dem Zeitpunkt war klar, dass Ratzinger enger Mitarbeiter von Kardinal Frings auf dem Konzil wurde. In zahlreichen Voten nahm Frings erheblichen Einfluss und sorgte mit dafür, dass das Zweite Vatikanum tatsächlich zu einem Reformkonzil wurde. Grundlage seiner Stellungnahmen waren zumeist die Texte von Joseph Ratzinger. Die Richtung hatten Frings und Ratzinger bereits in Genua vorgeben. "Ich glaube", so Frings später, "dass sehr vieles von dem, was hier niedergelegt war, im Konzil verwirklicht worden ist."

Der Autor lebt als freier Journalist in Neuss/Rhein.

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