US-Katholiken wollen TRÄUMEN DÜRFEN

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nachdem Steve Bannon das team um Donald trump hatte verlassen müssen, kehrte er zur Rechtsaußen-Internetzeitung "Breitbart news" zurück. Und legte sich dort gleich mit den Katholiken an.

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nachdem Steve Bannon das team um Donald trump hatte verlassen müssen, kehrte er zur Rechtsaußen-Internetzeitung "Breitbart news" zurück. Und legte sich dort gleich mit den Katholiken an.

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Die katholische Kirche und im Speziellen die Bischöfe sind auf die illegalen Fremden angewiesen!(Steve Bannon)

Der ehemalige Chefstratege von US-Präsident Trump, Steve Bannon, feuert wieder einmal aus allen Rohren: Im Fadenkreuz seiner verbalen Schusslinie steht diesmal die katholische Kirche in den USA, welche Bannon in einem Fernsehinterview frontal angriff. Auf dem von ihm gegründeten Nachrichtenportal Breitbart News, einer umstrittenen Web-Präsenz mit rechtsextremem Einschlag, formieren sich nach Bannons vielbeachtetem Auftritt, der sogar Papst Franziskus auf den Plan rief, rund um ihre aus der politischen Beratertätigkeit zurückgekehrte Führungspersönlichkeit zahlreiche Breitbart-Autoren und Kommentatoren, die in dieselbe Richtung zielen: "Die katholische Kirche zeigt wieder einmal ihr antiamerikanisches Gesicht!", so etwa Michael Patrick Leahy.

Widerstand gegen DACA-Aus

Was war passiert? Nachdem Donald Trump das Aus für Ex-Präsident Obamas "Deferred Action for Childhood Arrivals" (DACA) verkündet hatte und damit dem besonderen Schutz für Kinder von illegal in die USA eingewanderten Familien (sie werden "Dreamer", also Träumer, genannt) eine Deadline von sechs Monaten setzte, ließ der landesweite Widerstand gegen diesen Entschluss nicht lange auf sich warten. Auch der Erzbischof von New York, Kardinal Timothy Dolan, stellte sich öffentlich gegen die Pläne von Donald Trump und mit ihm weite Teile der katholischen Amtskirche sowie der Gläubigen in den USA.

Als Steve Bannon in einem CBS-Interview auf diesen katholischen Widerstand gegen das Aus von DA-CA und auf seine eigene katholische Beheimatung angesprochen wurde, sprudelte die verbale Aggression sprichwörtlich aus ihm heraus: "Die Kirche macht in diesem Punkt einen furchtbaren Fehler! Das alles ist eine heuchlerische Lüge!" Für Bannon ist die Haltung der Kirchenleitung aber durchaus nachvollziehbar: "Die Kirche und im Speziellen die Bischöfe sind auf die illegalen Fremden angewiesen!" Die Amtsträger seien, so Bannon weiter, unfähig, die Probleme in der katholischen Kirche der Vereinigten Staaten zu lösen und müssten ihren Kirche deshalb mit den Kindern der illegalen Einwanderer füllen.

"Die Bischöfe verfolgen vor allem wirtschaftliche Interessen!", wetterte Bannon. Die Meinung der US-Bischöfe sei eine strategische Forderung und keine religiöse Lehrmeinung, an die er sich als gläubiger Katholik halten müsse. Vielmehr wollten die Bischöfe mit ihrer ausländerfreundlichen Politik die Kirchenbänke voller "Dreamer" sehen und damit von ihrer eigenen Unfähigkeit ablenken.

Ein genauerer Blick in die Breitbart-Beiträge offenbart jedoch Grundsätzliches: Die vorgebrachten Argumente und Vorwürfe werfen Licht auf die religiöse Landschaft in den USA, in der sich nicht zuletzt der Konkurrenzkampf zwischen den Glaubensgruppen immer wieder zuspitzt. Autoren wie etwa Michael Patrick Leahy verbanden die Kritik Bannons mit antikatholischen Vorwürfen, die man eigentlich seit den 1960er-Jahren aus der politischen Öffentlichkeit verschwunden glaubte: Die US-Katholiken würden mit ihrer illegalen Einwanderung die Gesellschaft der USA unterlaufen wollen und müssten daher auf die Kinder der Illegalen setzen. Das Ziel wäre nach wie vor das Aushebeln des christlichen (i. e. reformiert geprägten) Staates in den USA und eine Errichtung katholisch geleiteter Gesellschaftsordnung.

Stigma des "Antiamerikanischen"

Dieser Vorwurf aus dem Munde Leahys ist keinesfalls neu -man kennt ihn seit dem 19. Jahrhundert, als Millionen irischer Katholiken aufgrund der ausbleibenden Kartoffelernte aus ihrem Heimatland in die USA emigrierten. Vorurteile wie diese gepaart mit Tatsachen -etwa dass der oberste Gerichtshof in den USA bis zur Ernennung Neil Gorsuchs im April dieses Jahres nur von katholischen und jüdischen Richtern besetzt war -lassen Stereotype und antikatholische Tendenzen immer wieder aufflammen.

Analysiert man die verbale Offensive Bannons und seiner Mitstreiter jedoch näher, zeigt sich erneut eine explosive Mischung aus Wahrheit und politisch instrumentierten Unterstellungen. Sie treffen die US-amerikanischen Katholiken ins Herz ihrer Identität und ihrer gesellschaftspolitischen Stellung und versuchen, diese unter Rückgriff auf antikatholische Stereotype zu schwächen.

Dass man dabei Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen funktionalisiert, macht die Sache noch komplizierter. Soziologisch und religionsgeschichtlich nämlich, so haben etwa die Untersuchungen von Russel Shaw oder Patrick Allitt gezeigt, kann die katholische Kirche in den USA ohne eine innere Bindung zu ihren europäischen Quellen gar nicht gedacht werden.

So verstehen sich heute noch zahlreiche Kirchengemeinden in ehemaligen Siedlungsgebieten (etwa "Germantown") nach wie vor als ethnische Gruppen, die auf gemeinsame Migrationsströme zurückdatieren. Aber auch die Bindung nach Rom wurde in der Geschichte der US-Katholiken immer besonders betont und damit ihre Identität nach innen nachhaltig gestärkt, während sie in der Gesellschaft als freiheitsfeindliche Fremdlinge lange Zeit als antiamerikanisch stigmatisiert und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden.

Religionswissenschaftler Allitt betont, dass die katholische US-Identität ohne ihre Wurzeln und ethnokulturellen Ausprägungen durch Migrationsströme gar nicht zu denken wäre. Diese Rückbindung wird in der aktuellen Breitbart-Offensive religionspolitisch eingesetzt und als wirksames Mittel in der DACA-Diskussion angesehen. Die Tatsache, dass Steve Bannon selbst jedoch aus einer irisch-stämmigen Familie eingewanderter Katholiken stammt, wird dabei gekonnt verschwiegen und ignoriert, was den befremdlichen Schatten über den Breitbart-Angriffen jedoch nicht im Geringsten mindert.

Analysiert man die verbale Offensive von Bannon & Co näher, zeigt sich eine explosive Mischung aus Wahrheit und politisch instrumentierten Unterstellungen.

US-Katholikenzahl relativ stabil

Neben diesen Argumenten zeigt auch ein Blick in die erst kürzlich veröffentlichten Zahlen des Gallup-Institutes, dass sich die katholischen Teile der US-Bevölkerung entgegen denen protestantischer Großkonfessionen tatsächlich relativ stabil halten. Während die Großkonfessionen traditioneller evangelischer Kirchen immer mehr Mitglieder an freikirchliche Gruppierungen verlieren, sind die Zahlen der US-Katholiken in den letzten Jahrzehnten zumindest annähernd gleichbleibend, was die Stellung der Kirche in der Öffentlichkeit stärkt. Dass der Mitgliederschwund in der katholischen Kirche trotz kircheninterner Skandale und einer immer größer werdenden religionskritischen Bevölkerungsgruppe größtenteils prozentuell kompensiert wird, dürfte laut soziologischen Untersuchungen tatsächlich auf den zahlenmäßigen Schub aus lateinund südamerikanischen Gebieten zurückzuführen sein.

In beiden Punkten treffen die Breitbart-Autoren rund um Bannon dabei einen Kern Wahrheit, den sie in Verbindung mit antikatholischen Vorwürfen und Vorurteilen zu einem Bumerang-Effekt auf die US-Katholiken zu invertieren suchen. Dies macht etwa auch das Verschweigen der Tatsache, dass die katholischen Einwanderer aus den südamerikanischen Ländern schon seit Längerem neben freikirchlichen Pfingstbewegungen nicht mehr allein die größte Glaubensgruppe sind, deutlich.

Kardinal Dolan selbst, der die Angriffe Bannons zwar verurteilte und als "kränkend und beleidigend" bezeichnete, wollte sich nicht weiter mit der Kritik aus dem rechtsextremen Lager beschäftigen. Für ihn liegen die Gründe für seine Ablehnung des Trump-Vorhabens, den Schutz für Kinder illegal eingewanderter Menschen aufzuheben, ohnehin in der christlichen Nächstenliebe und der evangeliumsgemäßen Achtung aller Menschen. Religionsgeschichtlich dürfte jedoch auch ein psychologischer Grund für die katholische Unterstützung der "Dreamer" ausschlaggebend sein: Ist doch die lange Geschichte der amerikanischen Katholiken selbst von Migrationsbewegungen voll und die eigene Identität davon geprägt. Eine katholische US-Kirche, die sich gegen träumende Einwanderer und deren Kinder stellt, kann und will sich in den USA außerhalb des rechtsextremen Lagers niemand so richtig vorstellen.

Steve Bannon

Der irischstämmige Katholik leitet seit 2012 das Internet-Portal Breitbart News. Ab August 2016 war er Wahlkampfberater von Donald Trump, seit dessen Einzug ins Weiße Haus sein Chefstratege. Im August 2017 kehrte Bannon an die Spitze von Breitbart News zurück.

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