Der fänger im Rapsfeld

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Der selbstbewusste kanadische Farmer Percy Schmeiser hat 20 Jahre gegen den größten Agrarkonzern der Welt gestritten. Dafür wurde er mit dem Alternativ-Nobelpreis belohnt.

Er entspricht nicht mehr ganz dem Bild des kräftigen, agilen, vom Alter scheinbar unbeeinträchtigten Farmers, das er in Bertram Verhaags Dokumentarfilm „David gegen Monsanto“ von 2009 abgibt. Aber allemal, man sieht mit 79 aus wie Percy Schmeiser: Kaum Bauch, der mäßig angegraute Haarschopf immer noch voll, die mittelgroße Gestalt – eine symbolhafte Gunstbezeugung der Natur – ungebeugt.

Seit Jahren bereist Percy Schmeiser, Bürger der westkanadischen Provinz Saskatchewan, den Globus. Da er sich vor drei Monaten aus seinem Beruf als Farmer zurückgezogen hat, kann er Einladungen nunmehr leichter und etwas entspannter nachkommen und seine Frau Louise, die früher bei Haus und Hof im wahrsten Wortsinn die Stellung halten musste, mitnehmen. So auch, wie diesen Juni, für zweieinhalb Tage nach Wien. 1970 waren die beiden zum ersten Mal hier. Als Touristen. Jetzt steht eine Mission hinter dem von der Event-Agentur future.logics perfekt durchorganisierten Gastspiel.

Ohne sein Wollen oder Verschulden in eine Auseinandersetzung mit dem Saatgut- und Herbizid-Konzern Monsanto geraten und daraus zumindest mit Teilerfolgen ausgestiegen, ist Percy Schmeiser zu einem Symbol des Widerstands gegen totalitaristisch agierende Wirtschaftsmacht geworden. Gegen deren Foul Play tritt er energisch in Vorträgen, Diskussionen und Pressegesprächen auf. Louise, ein Jahr jünger, gibt dazu die gute Seele mit standfestem Vertrauen in ihren Mann und Glauben an Gott.

„Ich habe“, erzählt Percy Schmeiser im Scherz, „einen Deal mit ihr gemacht:, Ich erledige das Kämpfen, du das Beten.‘“

Schmeisers Weg zu weltweiter Bekanntheit, den er freiwillig nicht gehen hätte wollen, begann 1998: Auf den Feldern seiner Farm wuchs gentechnisch veränderter, von Monsanto hergestellter Raps, den er nie angesät hatte, der den Ertrag von 50 Jahren Arbeit kontaminierte. Der Wind hatte ihn von der Nachbarfarm angeweht. Monsanto sah seine Patentrechte auf den Gen-Raps verletzt und klagte Schmeiser auf Schadenersatz.

David gegen Goliath

Was folgte, war ein zehnjähriges Kräftemessen nach archaischem David-Goliath-Muster: Die Macht eines milliardenschweren multinationalen Agrar-Riesen gegen puren Überlebenswillen und buchstäbliche, durch politische Praxis in Form eines Bürgermeisteramts in der Kleinstadt Bruno (1966–83) und eines Abgeordnetenmandats in der Provinzregierung Saskatchewans (1967–71) raffinierte Bauernschläue.

Das Gerichtsverfahren nahm für Schmeiser zunächst einen ungünstigen Verlauf: Die ersten beiden Instanzen schlossen sich vorbehaltlos der Sicht Monsantos an und verurteilten den Farmer zu hohen Schadenersatzzahlungen. Das Oberste Gericht befand zwar ebenfalls, dass Schmeiser die Patentrechte des Konzerns verletzt habe. Mit dem Argument, dass er daraus keinerlei Profit gezogen hatte, wies es jedoch Schadenersatzforderungen Monsantos, die auf rund 700.000 Euro angewachsen waren, ab.

Alternativer Nobelpreis

2007 erhielten Percy und Louise Schmeiser den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award). Mit der Anerkennung ehrte die Jury die Schmeisers u. a. „für ihren Mut bei der Verteidigung der Artenvielfalt und der Rechte der Bauern“. 2008 kam es erneut zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Monsanto – diesmal aber von den Schmeisers selbst angestrengt: Nachdem wieder gentechnisch manipulierter Raps auf ihren Feldern aufgetaucht war, verklagten sie den Konzern auf umgerechnet knapp 500 Euro zur Beseitigung des Schadens. Monsanto zahlte nach außergerichtlicher Einigung, obwohl sich Schmeiser einem vom Konzern geforderten Verschwiegenheitsgebot über seine Geschäftspraktiken verweigerte.

„Ich lasse mir nicht mein Recht auf freie Rede nehmen“, beharrt er – und erzählt, was ihm und seinen Nächsten in der Konfrontation mit Monsanto widerfahren ist:

Dass er und seine Frau am Siedepunkt der Auseinandersetzungen – das war um 2001, 2002 – praktisch rund um die Uhr von Monsanto-Agenten bespitzelt und überwacht wurden. Dass ihm nach einem Vortrag in Johannesburg ein leitender südafrikanischer Monsanto-Angestellter die Faust unter die Nase gehalten und gedroht habe, man werde ihn fertigmachen. Dass er in der ständigen Angst gelebt habe, sein Haus werde durch Brandbomben abgefackelt. Dass er und Louise auf dem Weg zu den Feldern jedes Mal eine andere Route genommen hätten. Dass er und seine Helfer eine Zeit lang nicht ohne Gewehr mit den Traktoren und Mähdreschern unterwegs waren. Dass Monsanto großflächig Inserate schaltete, in denen Farmer – gegen Belohnung durch eine Lederjacke mit Firmen-Logo – ermutigt wurden, Nachbarn zu verpfeifen, die möglicherweise illegal Gen-Pflanzen anbauten. Dass Monsanto durch Einschüchterung Farmer davon abhalten wollte, sich hinter Schmeiser zu stellen. Dass Monsanto durch Abendeinladungen und Stipendien an Studenten aus der Region versuchte, Stimmung für sich und gegen die Schmeisers zu machen. Dass Monsanto aus einem Flugzeug Spraybomben des firmeneigenen Herbizids Roundup auf die Farm eines Nachbarn abwarf, um festzustellen, ob hier ohne Lizenz gentechnische Pflanzen gezüchtet wurden. Der Verdacht war übrigens unbegründet, das zeigte zwei Wochen später die kaputte Ernte: Nur genmanipuliertes Saatgut hätten dem extrem aggressiven Pflanzengift widerstanden.

Ein Kreis schließt sich

Dem Druck Monsantos konnte sich auch das Familienleben der Schmeisers nicht entziehen. Eine der drei Töchter – das seit 1952 verheiratete Ehepaar hat fünf Kinder, 15 Enkeln und drei Urenkel – hätte beizeiten schon eine Kapitulation der permanenten Angst vorgezogen, erzählt Louise. Sie selbst erkrankte an Brustkrebs. Seit fünf Jahren ist sie vom Geschwür befreit. Aber auf den erhöhten Blutdruck muss sie nach wie vor ein wachsames Auge werfen.

„Der Hauptgrund, warum wir durchgehalten haben“, glaubt Percy Schmeiser, „war das Wissen, was unsere Eltern und Großeltern durchgemacht haben. Sie haben unvorstellbar hart gearbeitet, um ihr Land nutzbar zu machen, daher dürfen wir es nie verlieren.“

Die Vorfahren der Schmeisers sind aus Mitteleuropa ausgewandert: Louises Eltern aus Luxemburg und Ungarn, Percys Großeltern aus Bayern und – Wien.

„Jedes Mal, wenn ich in Bayern oder Österreich bin, ist es für mich wie nach Hause zu kommen“, sagt er. „Es ist wie ein Kreis, der sich schließt, seit meine Ahnen vor 100 Jahren von hier aufgebrochen sind.“

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