"Es gibt keine Koexistenz"

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Percy Schmeiser, kanadischer Bauer und Alternativer Nobelpreis-Träger, kämpft gegen die Gentech-Industrie.

Die Furche: Vor zehn Jahren begann alles mit einem Brief …

Percy Schmeiser: Wir bekamen den Brief im August 1998 zur Erntezeit. Darin stand, dass wir angeklagt waren, Monsantos Rapssaat ohne Lizenz angebaut zu haben. Doch wir hatten nie ihre gentechnisch veränderten Organismen (GVO) angebaut und wollten überhaupt keine GVO. Meine Frau und ich hatten spezielle Rapssaaten, weil wir über 50 Jahre verschiedene Linien entwickelt hatten, die weniger krankheitsanfällig und besser an Boden- und Klimabedingungen angepasst waren. Der Richter entschied: Wenn ein Bauer aus irgendeinem Grund kontaminiert wird, besitzt er nicht länger das Saatgut und die Pflanzen, weil Monsanto ein Patent auf die Gene hat und so der Eigentümer ist. Wir konnten das nicht glauben, doch alles, was wir entwickelt hatten, bekam Monsanto. Dabei spielte es keine Rolle, wie hoch die Kontamination war. Wir hätten zusätzlich auch noch Lizenzen zahlen müssen und klagten daraufhin selbst Monsanto vor dem Obersten Gerichtshof. Im Urteil von 2004 mussten wir zwar keine Lizenzgebühren, aber 400.000 Dollar an Prozesskosten zahlen.

Die Furche: Was sind die Erfahrungen in Kanada und den USA aus zwölf Jahren Gentechnik-Anbau?

Schmeiser: Es gibt keine Koexistenz! Genausowenig gibt es eine Wahlfreiheit. Die Universität von Minetoba/Winnipeg stellte fest, dass das gesamte Raps- und Soja-Saatgut in Kanada kontaminiert ist. Bio-Bauern können aufgrund der Kontamination keinen Raps und kein Soja mehr anbauen. Existenzen wurden zerstört. Wir haben neue Superunkräuter, die drei bis vier Gentechnik-Gene verschiedener Gentechnik-Unternehmen enthalten. Neue Arten von Chemikalien wurden eingeführt. Raps gehört zu den Kreuzblütlern wie Senf, Kohl, Kohlrabi, etc. Jetzt kreuzen die GVO der Rapspflanzen in diese Gartenpflanzen aus. Das macht der Bevölkerung große Sorgen.

Die Furche: Konnten die Gentechnikkonzerne ihre Versprechungen gegenüber ihren Kunden einhalten?

Schmeiser: Die Versprechungen haben sich ins Gegenteil verkehrt: Die Erträge sind geringer statt höher, Superunkräuter breiten sich bis in die Städte aus und die Farmer brauchen nicht weniger, sondern mehr Chemie für ihre Felder. Die Erträge für Gen-Soja liegen um 15 Prozent unter den konventionellen Sorten, beim Raps um sieben Prozent, die Qualität ist um rund 50 Prozent schlechter gegenüber den traditionellen Rapssorten. Wir brauchen jetzt rund dreimal mehr Pestizide als zu Beginn. Dazu kommen Gesundheitsprobleme durch den Verzehr von GVO wie die allgemeine Schwächung des Immunsystems.

Die Furche: Wie haben sich diese Misserfolge auf die Stimmung in Kanada ausgewirkt?

Schmeiser: Als sie Gen-Weizen einführen wollten, gab es eine große Bewegung in ganz Kanada, dies zu verhindern. Weizen stammt aus der Familie der Gräser und würde die biologische Landwirtschaft total zerstören. Schließlich konnte nicht nur die Einführung von Gen-Weizen verhindert werden, sondern auch die Zulassung irgendeines neuen GVO seit 1996. Konsumentenorganisationen, Kirchen und Bauern hielten zusammen und sagten: "Wir wollen keine neuen GVO. Wir sehen den Schaden, den die Gentechnikkonzerne angerichtet haben, und wir sind sehr besorgt über die Gesundheitsauswirkungen, die Folgen auf die Artenvielfalt, die Schäden auf die Umwelt und vor allem die Auswirkungen auf Tiere, die GVO-Futter bekommen."

Die Furche: Gibt es Bauern, die ähnlich betroffen sind wie Sie? Schmeiser: In den USA sind rund hundert Gerichtsverfahren dokumentiert und die Bauern zahlten im Schnitt 150.000 Dollar an Monsanto. Sie zerstörten viele Bauernexistenzen. Es gibt in Kanada zusätzlich sehr viele Fälle, bei denen die Bauern in außergerichtlichen Vergleichen zahlten. Sie müssen auch ein Dokument unterschreiben, in dem sie sich verpflichten, niemandem etwas über die Bedingungen des Vergleiches und wieviel sie zahlen mussten zu erzählen. Wenn man ein Problem mit dem Saatgut hat, darf man Monsanto nie vor Gericht bringen.

Die Furche: Was konnten Sie mit Ihrem Fall erreichen?

Schmeiser: Der ganze Fall hat Bewusstsein gebracht, nicht nur für die Menschen in Kanada. Es wurde bekannt, was GVO sind, welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit haben etc. Ich konnte auch die Verbindungen zwischen der Regierung und Monsanto aufzeigen.

Die Furche: Was blüht österreichischen oder europäischen Bauern, wenn sie GVO ausbringen würden?

Schmeiser: Europäische Felder sind viel kleiner als unsere. Dadurch könnten sich GVO noch viel schneller verbreiten als bei uns. Was noch wichtig ist: Am Anfang ging die größte Kontamination nicht von Landwirten aus, sondern von Feldversuchen. Konzerne und Wissenschaftler sagten, dass man einen Abstand von drei Metern haben muss, dann waren es neun Meter, 20 Meter, 50 Meter, dann ein Kilometer, schließlich zwei Kilometer. Jetzt erklären auch die Wissenschaftler, dass es keinen sicheren Abstand gibt. Wenn es keinen ausreichenden Sicherheitsabstand in Kanada gibt, kann es in Europa schon gar keinen geben. Wenn man sich einmal für GVO entscheidet, kann man sie nach unserem Wissensstand nicht mehr aus der Umwelt zurückholen. Sobald man GVO einführt, ist es vorbei.

Die Furche: Gibt es irgendwelche Pflanzen, bei denen Koexistenz möglich ist?

Schmeiser: Bei den weltweit wichtigsten Pflanzen wie Mais, Weizen, Reis oder Raps ist es nicht möglich, sie gentechnikfrei zu halten. Durch Auskreuzung wird alles kontaminiert. Nicht nur Pollen, auch Saatgut kann über Transport oder Wind verbreitet werden. Alles was Sie zu tun haben, ist nach Nordamerika zu schauen!

Die Furche: In Österreich wird 2009 der Gentechnik-Grenzwert für Bio-Produkte von 0,1 auf 0,9 Prozent angehoben. Wie beurteilen sie dies?

Schmeiser: Der Grenzwert muss 0,0 Prozent sein. Bei einem Grenzwert von 0,9 Prozent und bei der gleichzeitigen Freisetzung von GVO werden auf Dauer keine Bio-Bauern überbleiben - weil sich der Grenzwert immer mehr nach oben verschieben würde.

Die Furche: Wurde Monsanto in Kanada schon einmal wegen Kontamination verurteilt?

Schmeiser: Nein. Bisher hatten sie das Recht auf ihrer Seite.

Die Furche: Gibt es also ein Verschmutzungsrecht?

Schmeiser: Nein. Wenn man die Pflanzen der anderen zerstört, sollte man für den Schaden haftbar sein. Aber es hat bis vor Kurzem keine Anzeigen gegen die Konzerne gegeben. Da gibt es erst jetzt die ersten Gerichtsverfahren.

Die Furche: Was hat Monsanto gemacht, um Sie zu stoppen?

Schmeiser: Sie wollten unseren Widerstand durch Drohungen brechen, beobachten uns, machten Anrufe. Sie sagten zu meiner Frau:, Niemand steht gegen Monsanto auf, wir werden euch bekommen und zerstören.' Sie beobachteten uns, wenn wir auf den Feldern arbeiteten. Einmal veranlassten sie, dass wir uns kein Geld mehr leihen konnten. Sie bedrohten uns in einer Weise, die Angst macht.

Die Furche: Was ist der beste Weg, um gegen GVO aufzutreten?

Schmeiser: Am besten ist es, GVO nicht zu erlauben. Weiters ist es wichtig, Druck auf Regierung und Behörden auszuüben. Die Menschen, die Bauern müssen den Politikern sagen, dass sie keine Gentechnik wollen, weil damit Gesundheits-, Tier- und Umweltprobleme verbunden sind. Die Politiker sind diejenigen, die die Gesetze machen und die Zulassungen erteilen. Sie werden nicht von den Konzernen gewählt, sondern vom Volk. Die Politiker sind verpflichtet, die Menschen und deren Wünsche zu vertreten. Sie machen aber Marketing für die Konzerne. Die Unternehmen haben die Kontrolle über die Politiker.

Die Furche: Was ist Ihr Rat an Österreich und die EU?

Schmeiser: Bio-Bauern verloren bei uns ihre Zulassung, die konventionellen Bauern verloren die Kontrolle über ihr Saatgut. Wir glaubten immer, dass das in einem Land der Dritten Welt, aber niemals in Kanada passieren könnte. Jetzt sind wir gerade dabei, die Gentechnik zu stoppen. Warum wollt ihr damit anfangen?

Das Gespräch führte Klaus Faißner.

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